07 Mrz, 2012

Systemneustart mit Gabriel Hounds

„Sie riss die beiden Kärtchen ab und öffnete die Tüte, wobei die Heftklammern das Papier zerfetzten. Ein äußerst schweres Denimhemd. (…) Nein, eine Jacke. Der Denim dunkler als ihre Jeans, fast schon schwarz. Und er roch stark nach jenem Indigo, dem erdigen Duft des Ladens, wo sie die Jeans entdeckt hatte. Die Metallknöpfe – vernietet – waren nachtschwarz und wirkten wie gepudert. Außen war nirgendwo ein Markenzeichen zu sehen. Das Etikett befand sich innen, direkt unterhalb des Kragens, und bestand aus ungefärbtem Leder, so dick wie ein Gürtel. Darin war nicht etwa ein Name eingebrand, sondern der irgendwie verstörende Umriss eines kindsköpfigen Hundes. Das Brenneisen war anscheinend aus einem einzigen feinen Draht gedreht, dann erhitzt und ungleichmäßig in das Leder gedrückt worden, das an manchen Stellen angesengt war. Direkt unterhalb des Lederflickens war ein kleines, gefaltetes Schildchen eingenäht, eine weiße, gewebte Bordüre, und maschinell mit drei scharf umrissenen schwarzen Punkten bestickt, die zu einem Dreieck angeordnet waren“ (W. Gibson 2011)

Der kindsköpfige Hund ist das Logo von Gabriel Hounds, dem vielleicht zeitgemässesten Brand der 2010er Jahre. Es vereint die Robustheit von Arbeiterkleidung und schweren Denimstoffen mit zeitlos-moderner Reduziertheit auf das Wesentliche. Es passt zum Handmade- und Heritage-Trend. Es ist cool. Es ist underground. Jeder will etwas davon, doch es ist in keinem Laden zu finden. Es ist ein Geheimbrand.

Gabriel Hounds ist nicht real. Es entstammt „Systemneustart“, dem jüngsten Roman von William Gibson, der wie kaum ein anderer subkulturelle Trends und Codes der Gegenwart als bereits eingetretene Zukunft zu beschreiben vermag. Der zitierte Abschnitt ist die erste Textstelle an der ein Hounds-Produkt auftaucht. Und was hat das Ganze mit grüner Mode zu tun?

Vor ein paar Wochen erhielt ich eine Email mit der Frage, ob ich glaube, dass die neue Sehnsucht nach individuellen, handgemachten Produkten die Vermarktungschancen öko-fairer Kleidung erhöhe. Und ja, dass denke ich auf jeden Fall. Heritage, als ein Modetrend der zeitlos-klassischen Designs und der hochwertigen Materialien/Verarbeitung kann zudem durchaus als Chance für eine Mainstreamisierung der Slow-Fashion-Idee angesehen werden. Auch wenn natürlich nicht überall Langlebigkeit gegeben ist, wo jetzt plötzlich Heritage draufsteht.

Und die grüne Mode hat bereits kleine wie große Marken zu bieten, die herausragend in diese Produktwelt passen und auch entsprechend kommunizieren. KnowledgeCotton und Nudie Jeans seien hier genannt, genauso wie slowmo und ekn. Diese Brands sind zwar nicht geheim, aber vermitteln eine besondere Beständigkeit und zumindest letztere sind auch nur an wenigen Orten verfügbar.

Allen Lesern mit Interesse an Design, Mode und Marketing sei empfohlen, dem Geheimnis von Gabriel Hounds auf die Spur zu gehen und zu schauen, was die Reise an Inspiration zur Förderung eines Systemneustarts in der Mode bereithält. Auch die anderen Teile der Triologie, dessen Abschluss der Roman bildet, haben für Designfreaks einiges zu bieten. Die Verbindung von Hounds zu Nachhaltigkeit hat übrigens schon vor mir Ulrich Gutmair in der taz gezogen, wie ich bei Recherchen entdeckte.

Versteckt  – und damit fast geheim – am Ende noch ein Link zu einem spannenden neuen Brand, das auch so einiges mit Hounds gemein hat. Unter anderem gibt es dort ebenfalls eine mysteriöse Nummer auf dem eingenähten Schild. Das Foto oben zeigt eine der „Grand Masters of Denim“, wie die Näherinnen dort genannt werden. Mehr davon bald.

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

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Veröffentlicht in: Gelesen

3 Kommentare auf "Systemneustart mit Gabriel Hounds"

1 | Matthias

März 8th, 2012 at 00:51

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Schön in diesen Zusammenhang passt auch die Logo-Allergie der Protagonistin in „Mustererkennung“, dem ersten Roman der Bigend-Trilogie von Gibson. Sie will zwar die Qualität der besseren Markenprodukte, erträgt aber die Zurschaustellung deren Logos nicht und entfernt diese. Und trotzdem haben diese Produkte einen Wiedererkennungswert, der sich eben nur durch eine gewisse Beständigkeit, Langlebigkeit und Zeitlosigkeit im Design herauskristallisiert.

2 | design kleid

März 8th, 2012 at 16:45

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Vielen Dank für die Inspiration…ich werde dran bleiben und dem Geheimnis noch etwas weiter auf den Grund gehen.

3 | frl_Emma

März 10th, 2012 at 20:57

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Sehr schöner Beitrag und inspirierend zugleich. Lieber auf Klasse setzen, als auf Masse. The rooters Company, die Hersteller von Kleidung & Accessoires aus Rhabarberleder leben es auch schon vor. Sie optimieren lieber ihr bestehendes Design, tauschen mal das eine und andere Produkt aus, aber rennen nicht der „Mode“ hinterher. Sich entwickeln und nachhaltig verbessern, davon haben wir doch alle eigentlich mehr.