21 Sep, 2012
Unter Schafen
Es wird langsam deutlich kühler und der Sommer endet nun auch offiziell. Ich bin schon immer ein großer Fan von Strickwaren und trage auch gerne Schurwolle, weil sie leicht ist und trotzdem warm hält. Ziemlich schockiert war ich letztes Jahr, als ich gelernt habe, dass auch Schafe oft ziemlich mies behandelt werden und Wolle keineswegs von Natur aus „bio“ ist.
Zunächst einmal werden Schafe zwar wirklich in der Regel immer an der freien Luft gehalten, aber eben alles andere als in Freiheit. Um sie bzw. die Wolle vor Parasitenbefall zu schützen, werden die lebendigen Schafe in Pestizidbäder getaucht. Das tut natürlich weder den Schafen, noch der Umwelt gut.
Richtig tierquälerisch ist die Behandlung, die sich hinter dem Begriff Mulesing verbirgt. Insbesondere Merino-Schafe werden dieser Prozedur unterzogen. Züchtungsbedingt haben Merinoschafe besonders viele Hautfalten. In heißem Klima werden sie häufig von Fliegen befallen, die ihre Eier in die Hautfalten legen. Beim Mulesing wird den Tieren deshalb rund um den Schwanz ein großes Stück Haut weggeschnitten, in der Regel ohne Betäubung.
Klimabedingt besonders verbreitet ist Mulesing in Australien. Australien ist zugleich einer der größten Wollproduzenten. Rund 50 Prozent der weltweit verkauften Merinowolle stammt aus Australien und entsprechend hoch ist damit die Chance an solche Wolle zu geraten.
Wenn die Schafe nicht mehr genügend Wolle geben, werden sie geschlachtet. Australische Schafe werden dafür oft lebend mit riesigen Offendeckschiffen in den Nahen Osten und nach Afrika verfrachtet. Von einem aktuellen Fall eines missglückten Transports stammt auch das Foto oben. Weil die Behörden von Bahrain eine Viruserkrankung feststellten, durften 22.000 Schafe das Schiff nicht verlassen – 22.000 auf einem einzigen Schiff wohlgemerkt. Inzwischen sind die Schafe in Pakistan an Land gegangen, wo sie seit 2 Wochen auf engstem Raum im Matsch stehen.
Wer Wolle aus solcher Produktion vermeiden will, muss leider auch bei Ethical Fashion Brands genau hinschauen, denn längst nicht alle verwenden Bio-Wolle. Bei Wolle aus kbT (kontrolliert biologischer Tierhaltung) und solcher, die ein Siegel von GOTS, IVN oder auch Zque trägt, sind Pestizidbäder, Mulesing und lange Tiertransporte ausgeschlossen. Bei animalfair sind zudem ein Paar Produzenten von Vegetarierwolle gelistet, bei der die Tiere generell nicht geschlachtet werden.
Und auch nach dem Scheren unterscheidet sich Bio-Wolle von der Konventionellen. Sie wird weder mit Chlor und anderer wenig umweltfreundlicher Chemie „filzfrei“ ausgerüstet noch mit Kunstharz überzogen, wie es sonst sehr verbreitet ist.
Leider ist Bio-Wollstrick gerade bei den jüngeren und moderneren Ökomodeherstellern noch nicht sehr verbreitet. Wirklich großartige Bio-Wollsachen findet ihr bei slowmo (komplett), caro e. (überwiegend), KnowledgeCotton (komplett), L’herbe Rouge (komplett), Studio Jux (überwiegend), howies (überwiegend), Ansoho (überwiegend).
Richtig rar ist bisher veganer dickerer und damit wärmerer Strick aus nicht-tierischen Öko-Fasern. Mein neuer Bio-Baumwoll-Strickpulli von TWOTHIRDS ist superschick, aber superwarm ist er wohl nicht. Hinweise auf mehr dringend erwünscht!
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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