30 Okt, 2012

Mit Funktionschemie in die Restnatur?

Foto: Greenpeace

Eine Master-Thesis zur Nachhaltigkeit der Outdoorbranche war mein persönlicher Zugang zum Thema grüne Mode, wie es ja auch schon die Autorenkurzbeschreibung verrät. Entsprechend gespannt war ich auf die gerade veröffentlichte Greenpeace Studie zum Thema PFCs (perfluorierte und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe) in Outdoorkleidung. Untersucht wurden auch die Vorkommen anderer kritischer Chemikalien wie Nonylphenol (NPE) und Antimon. Die Studie ist Teil der Detox-Kampagne.

Als ich 2007 meine Master-Thesis schrieb, waren PFCs noch nicht breiter diskutiert. Es ging um mangelnde Recycelbarkeit durch Fasermixe und Teflon-Membrane, Erdöl als dominierenden und nichtnachhaltigen Faserrohstoff und wenig bis gar nicht kontrollierte Arbeitsbedingungen in den Zulieferketten.

Meine These: Die Käufer_innen von Outdoorklamotten sind für solche Themen überdurchschnittlich sensibel. Und wirklich. In diesen Bereichen hat sich verdammt viel getan. Gleich 6 große Outdoor-Unternehmen sind inzwischen Mitglied der Fair Wear Foundation (Jack Wolfskin, Mammut, Mountain Equipment, Odlo, Schöffel, Vaude), sicherlich vor allem Dank einer sehr starken Kampagne der Kampagne für saubere Kleidung. Auch eine grüne Produktlinie hat heute mehr oder weniger jeder Outdoorhersteller im Angebot.

Die Studie von heute zeigt uns jedoch, dass zumindest ökologisch das vielleicht größte Problem der Branche bisher weitgehend ungelöst ist. Auch in den Jacken der sonst als ökologische Vorreiter geltenden Hersteller Patagonia und in jüngster Zeit nochmal verstärkt auch Vaude konnten verschiedene PFCs nachgewiesen werden.

Dabei hatte Patagonia jahrelang bewusst auf die PTFE (Polytetrafluorethylen)-basierte GoreTex-Membran verzichtet. Erst im letzten Jahr wurde hier ein Kurswechsel vollzogen, der mich sehr enttäuscht hat. Bei der Herstellung von PFTE wird PFOA als Prozesshilfsstoff verwendet. PFOA steht im Verdacht den Hormonhaushalt und die Fortpflanzung zu stören. Außerdem reichert sich der Stoff in Umwelt und Körper an, da er nicht abgebaut werden kann.

Vaude verzichtet bis heute auf GoreTex und nutzt unter anderem die Polyester-basierte, PFC-freie Sympatex-Membran. Blöd nur, dass PFCs auch bei der Grundimprägnierung zum Einsatz kommen. So wurden dann auch in der Vaude-Jacke PFCs gefunden.

Und selbst die offiziell PFC-freie Eco-Shell von Fjäll Räven und sogar eine Greenpeace-Jacke (produziert von Zimtstern) enthielten geringe Mengen PFCs, wobei deren Herkunft bei einem eigentlich PFC-freien Herstellungsprozess unklar blieb. Ganz offensichtlich also ein sehr großes Problem, dass nicht so leicht zu lösen ist. Der Ökostandard für Funktionstextilien „bluesign“ sagt übrigens leider überhaupt nichts über PFC-Gehalte aus und wird auch für GoreTex-Membrane vergeben.

Welche Jacken im einzelnen wie abgeschnitten haben, könnt ihr in der frei verfügbaren Greenpeace-Studie genau nachlesen. Ein ergänzendes pdf gibt weitere Informationen zu den untersuchten Chemikalien.

Patagonia verspricht schon seit längerem bis 2015 zumindest ohne PFOA auszukommen und auch andere Hersteller bekunden bereits seit längerem an dem Thema zu arbeiten und bis 2020 Lösungen zu entwickeln.

Doch bei gefährlichen nicht-abbaubaren Chemikalien und bei den Mengen, die die Outdoorbranche gegenwärtig umsetzt, sind längere Ausstiegsszenarien eigentlich nicht akzeptabel. Die Branche schiebt da bisher gerne den High-End-fixierten Verbraucher vor. Den hat sie jedoch durch gezielte Werbung und einen Wettlauf der Überfunktionalisierung selbst erschaffen.

Es geht auch heute schon ohne PFCs. Vielleicht nicht ohne auf das absolute Maximum an Wassersäule-zu-Dampfdurchlässigkeits-Quotient zu verzichten. Aber mal ehrlich, wie viele von uns besteigen Berge jenseits von 3000ern oder sind über Wochen in der Wildnis unterwegs? Und auch das haben Menschen schon ohne High-End-Membran geschafft. Ich werde zumindest keine neue Funktionsjacke mehr kaufen, bis mir eine komplett PFC-freie angeboten wird. Und bitte zugleich aus Recyclingmaterial, selbst wiederum recyclingfähig und fair produziert.

Meine derzeitige Patagonia-Jacke (Storm-Jacket, Recycling-Polyester) ist nicht mehr richtig dicht. Bei extremen Niederschlägen längerer Dauer wird mein Pulli darunter an Schultern und Armen leicht feucht. Das passiert vielleicht so 5 bis 10 mal im Jahr. Öfter nicht. Und das, obwohl ich ohne Auto sehr viel Fahrrad fahre und jedes Jahr mindestens eine Woche und zumeist im nicht gerade regenfreien Bayern wandern gehe. Auch wenn es uns manchmal anders vor kommt, es regnet in Deutschland gar nicht jeden Tag aus Eimern. Und „mein Pulli wird feucht“ ist noch weit weg von „ich werde nass“. Damit kann ich gut leben. Ich brauche kein Funktions-High-End. Und wie siehts bei euch aus?

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

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9 Kommentare auf "Mit Funktionschemie in die Restnatur?"

1 | Agnes

Oktober 30th, 2012 at 22:19

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Hallo Lars,
auch ich habe eine große Wut im Bauch. Denn vor ein paar Monaten habe ich mich für eine Patagonia Funktionsjacke Super Cell aus ökologischen Gründen bewusst entschieden. Da ich täglich per Fahrrad eine längere Strecke unterwegs bin, bin ich auf gute funktionelle Regenkleidung angewiesen. Nach sorgfältiger Recherche und Deinem Tipp erwies sich in meinen Augen der Hersteller Patagonia als herausragender Umweltaktivist mit seiner nachhaltigen Produktion. Daher bin ich umso mehr verärgert über die nicht vorhandene Transparenz und die Täuschung . Eigentlich wollte ich mich noch mit weiteren Kleidungsstücken von der Outdoor-Marke ausstatten. Aber da muss ich mir erstmal in Ruhe überlegen.
Viele Grüße aus Aachen von Agnes

2 | Lars Wittenbrink

Oktober 31st, 2012 at 00:20

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Hallo Agnes,

bei aller Enttäuschung, dass es nun auch Gore-Tex bei Patagonia gibt, ist es ja nun nicht so, dass andere Hersteller im Hinblick auf PFCs unbedingt besser abschneiden, Es wurden zudem nur einzelne Jacken getestet, was keine Aussage zum Gesamtjackensortiment der jeweiligen Marke möglich macht. Da werden die PFC-Mengen vermutlich je nach Modell sehr unterschiedlich sein.

In allen anderen Fragen ökologischer Produktoptimierung und nachhaltiger Unternehmensführung ist Patagonia sicherlich derzeit im Outdoorbereich immer noch führend, auch wenn hier andere langsam aufholen.

Anders als die meisten anderen hat Patagonia auch immerhin schon seit längerem Informationen zum Thema PFCs auf seiner Website bereitgestellt.

Und selbst die unökologischste Outdoorjacke ist wohl um Dimensionen umweltfreundlicher als statt mit dem Rad täglich mit einem Auto zu fahren…

beste Grüße – Lars

3 | marcus

Oktober 31st, 2012 at 07:47

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Danke für den Artikel.

Es gibt mittlerweile auch tolle Alternativen aus Loden. Pur mit Lodefutter. Perfektes Klima. Auch bei Regen. Auch das Design ist den Hard/Soft Shell sehr ähnlich.

Betrifft zwar nicht die Hardshelljacken, aber ist mir zu dem Thema Kleidung aus Plastik noch in Erinnerung gekommen….. Vor zwei Jahren stand in der Süddeutschen ein kleiner Artikel:

„Bei Untersuchungen für eigentlich etws anderes sind Forscher auf Microplastikfasern an verschiedenen Stränden gestoßen. Weiter verfolgt fanden sich Fasern im Meer, in Meerestieren, und ließen sich weiter verfolgen in die Flüsse bis in unsere Waschmaschinen. Ausgewaschen aus unserer Kunststoffkleidung, allen voran der Fleece. Die Fasern sind so klein, daß sie sich nicht mehr aus dem Wasser herausfiltern lassen. Über Auswirkungen ist nichts bekannt. Aber sie befinden sich bereits in der Nahrungskette.“

4 | Sven

November 6th, 2012 at 17:36

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Hallo Lars,
um ehrlich zu sein finde ich es sehr schade, dass du so einseitg über diese Thematik berichtest.
Ich arbeite seit einigen Jahren in der Textilbranche und beschäftige mich sehr häufig mit dieser Thematik.
Firmen oder Produkte an den Pranger stellen ist sehr einfach und aus meiner Sicht eindimensional! Lösungsvorschläge unterbreiten fände ich persönlich interessanter.
Wie du richtig sagst gibt es bereits PFC freie Alternativen. Allerdings sind die Alternativen noch weit davon entfernt annähernd die selbe Funktion zu erreichen wie eine Ausrüstung von PFC Basis. Ich spreche hier von C6 und C4 Ketten!
Grüße

5 | Lars

November 6th, 2012 at 18:47

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@Sven: Ich mache hier sehr deutlich, was mein Standpunkt ist. Wertfreie Berichterstattung gibt es nicht und das hier Nachhaltigkeit oberste Priorität genießt ergibt sich schon aus dem Thema das Blogs. Zudem schildere ich doch sogar, welche Fortschritte fast die ganze Branche in mehreren Aspekten gemacht hat.

Auch auf die geringere Leistungsfähigkeit PFC-freier Alternativen gehe ich ein und eben auch darauf, dass diese geringere Leistung für viele Verbraucher eigentlich kein größeres Problem darstellt, da sie ihre Jacken eh nur in der Stadt oder bei leichteren Wanderungen tragen

Ich kenne viele Outdoor-Sportler und Outdoor-Branchenvertreter, die das genauso sehen.

Streiten kann man sich trefflich darüber, ob für extremere Einsätze (Hochgebrigstouren, sehr lange Touren in nassen Gegenden) die Verwendung von PFC zu rechtfertigen ist, solange es keine leistungsvergleichbare Alternative gibt.

Rettungskräften würde ich deren Verwendung nicht absprechen wollen. Sportlern hingegen eigentlich schon, denn für das bloße Vergnügen gefällt mir nicht, wenn jemand derartige Stoffe unwiederbringlich in unsere gemeinsame Umwelt einträgt.

Die Grenze der eigenen Freiheit endet in meinem Gerechtigkeitsempfinden dort, wo sie die Freiheit eines anderen einschränkt. Ergo: eigene Gesundheitsgefährdung kein Problem, irreversible Gefährdung der Mitwelt und der Mitmenschen großes Problem.

Ich bin da ganz bewusst nicht neutral, aber lege auch völlig offen, unter welchen ethischen Grundhaltungen ich den Sachverhalt bewerte.

6 | Geschwärzt - Singold Bote

Februar 6th, 2013 at 16:13

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[…] taz.de Outdoorkleidung: Giftige Chemikalien – WISO Schwarzfärberei – Grüne Mode Mit Funktionschemie in die Restnatur? – Grüne Mode Vier Wochen danach: Was bleibt von der Greenpeace Detox Campaign? – Gut […]

7 | Grüne Mode – Kirsten Brodde – Blog » Blog Archive » Grüne Liste Baby- und Kindermode

Juni 21st, 2013 at 10:53

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[…] Besonders gefreut haben wir uns, dass es auch Ansätze ökologischer Regenkleidung gibt. Die Regenjacken und Hosen von Green Cotton bestehen teilweise aus recyceltem Polyester und vor Allem sind sie PFC-frei. […]

8 | Grüne Mode – Kirsten Brodde – Blog » Blog Archive » FashionWeek Messerundgang Tag 1

Juli 9th, 2013 at 10:24

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[…] mir niemand am Stand sagen, woraus die Imprägnierung der Jacken besteht und ob diese frei von PFCs […]

9 | Grüne Mode – Kirsten Brodde – Blog » Blog Archive » PFC-freie Funktionsjacken

Dezember 12th, 2013 at 12:52

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[…] an PFCs auch in solchen Jacken finden ließen, die eigentlich frei davon sein sollten (Grüne Mode berichtete). Mutmaßlich handelte es sich um Verunreinigungen durch andere Produktionen unter dem selben […]