29 Mrz, 2014

Es ist nicht einfach oder 1500-150-750

https://encrypted-tbn1.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcTBFUjpbkFW4Xx0ZDDJ12h8l1jChk1oxutQR0zdulxhxcUqXnNAzQ

Nein, das sind nicht meine Maße oben im Titel! Erinnert sich noch jemand, was REACH ist? Eher schwach, nicht wahr?

Katapultieren wir uns also ein paar Jahre zurück. Es war ein zäher Kampf, bis 2007 das neue EU-Chemikalienrecht REACH in Kraft trat, denn die Industrie stellte sich massiv quer. Aber irgendwann war es geschafft. Dank REACH werden nun 30.000 Stoffe systematisch unter die Lupe genommen, darunter viele, die in der Textilindustrie eingesetzt werden und die im Fokus der Greenpeace-Detox-Kampagne stehen.

Spulen wir jetzt wieder vor und sehen mal nach, wie weit wir gekommen sind. Unbestreitbar: REACH ist eine große Errungenschaft, aber es geht nur schleppend voran. Man mag denken, klar, das ist das Schicksal eines Mammutvorhabens, aber REACH hat einen glasklaren Fokus und das ist das Ersetzen von 1.500 „besonders besorgnis erregenden Stoffen“ – sogenannten SVHC (Substances of very high concern“, die beispielweise krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind.

1500? Anfang 2014 sind ganze 150 Substanzen auf der Phase-out-Liste – magere zehn Prozent der schätzungsweise 1500 hoch problematischen Substanzen, die es auf dem europäischen Markt gibt.

2020 sollten es laut Greenpeace mindestens die Hälfte sein – also 750. Um das zu schaffen, müsste das Prinzip verändert werden. Statt mühsam Substanz für Substanz auf die Liste zu setzen, müssten es ganze Gruppen sein, also etwa die ganze Familie der besonders berüchtigten PFCs, die Greenpeace in Outdoorjacken und Badeanzügen nachgewiesen hat. Alle haben ähnliche Eigenschaften.

Aber selbst wenn die ECHA, die zuständige Behörde in Helsinki und die EU-Mitgliedsstaaten so richtig auf die Tube drücken, bleibt ein Pferdefuß.  Denn REACH gilt nicht für Importprodukte. Für die Textilindustrie ist es also möglich, dreckig in China zu produzieren und die Sachen dann in die EU zu importieren und zu verkaufen. Wer in Europa produziert, ist dagegen ans Chemikalienrecht gebunden. Eigentlich unfair. Und wenn die Produktionsländer wüssten, dass ihre Wirtschaft vom Markt abgeschnitten wäre – dann würden sie vermutlich schneller eine schärfere Chemikaliengesetzgebung erlassen – einfach, weil sie müssen.

Wie genau die Textilindustrie verfolgt, wer ihnen wo das Leben schwer macht, zeigte Anfang März das Beispiel Norwegen. Die norwegische Umweltbhörde hatte einen Bann für PRODUKTe vorgeschlagen, die PFOA enthalten, eine nachweislich giftige Substanz aus der Gruppe der PFC, mit der Kleidung wind- und wasserfest gemacht wird. Ab Juni dieses Jahres sollte er gelten. Nun gibt es auf Druck der Industrie eine Ausnahmegenehmigung bis Anfang 2018, für alles, was vor Juni diesen Jahres produziert wurde und wird. Nach Angaben der Industrie hätte es sonst 500 Millionen Kleidungsstücke gegeben, die unverkäuflich wären! Außerdem – so argumentierte die Industrie – ginge es doch pro Kleidungsstück nur um klitzekleine Mengen. Wer der Multiplikation mächtig ist, kann sich vorstellen, zu welch gigantischen Einsatzmengen sich auch wenige ppm pro Jacke, Hose&Co. aufsummieren. Die Branche war übrigens lange vorgewarnt worden, dass ein Verzicht auf PFOA nötig sein würde. PFOA gehört wie alle anderen PFC von REACH gebannt – ohne Schlupflöcher.

REACH birgt übrigens eine wunderbare Gelegenheit für Konsumenten, von Händlern und Herstellern Auskunft zu verlangen, welche Gifte in ihren Alltagsprodukten stecken. Innerhalb von 45 Tagen muss geantwortet werden. Der BUND und das Umweltbundesamt haben auf ihren Webseiten ein Online-Formular veröffentlicht, mit dem das einfach machbar ist.

 

 

 

 

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

Hier finden Sie alle Artikel von .

Veröffentlicht in: News

Keine Kommentare auf "Es ist nicht einfach oder 1500-150-750"

Comments are closed.