24 Mai, 2016
Nächstes Level bitte!
Es wird Zeit für das nächste Level. „Close the Loop“ ist das Nachhaltigkeitsthema der Stunde in der Textilindustrie und es sollte dabei um mehr gehen als einmaliges Recycling. Echte Kreislauffähigkeit im Sinne von Ökoeffektivität/Cradle to Cradle lautet die Zielmarke.
Seien wir doch mal ehrlich, grüne Mode machen ist keine Raketenwissenschaft. Zumindest aus Sicht eines Labels oder Auftraggebers. GOTS-zertifizierte Basics schaffen sogar Tchibo oder Aldi. Man kaufe einen GOTS-zertifizierten Stoff von der Rolle und suche sich einen GOTS-zertifizierten Konfektionsbetrieb. Fertig ist die ökomäßig durchzertifizierte Klamotte.
Klar, die Auswahl an Stoffen ist nach wie vor sehr viel geringer als im konventionellen Bereich und wer seine Materialien exklusiv haben will, der muss meist schon beim Garn anfgangen. Doch im Weg stehen bei der Herstellung eigener Stoffe eigentlich vor allem die zu kleinen Stückzahlen und die deshalb hohen Mindermengenaufschläge. Nicht die technischen Herausfordungen.
Nachhaltige Labels sind die Avantgarde der nachhaltigen Mode. Das galt auch für die Einführung neuer Materialien in die Mode, wie Lyocell (TENCEL®, Monocel), Lenzing Modal® Edelweiß, Recyceltes Polyester oder Kork. Trotz großer Potentiale sind diese neuen Möglichkeiten allerdings auch von grünen Modemachern bisher nur selten genutzt worden, um Kollektionen kreislauffähig zu gestalten. Im Gegenteil. Vielfach sehen wir inzwischen Fasermixe aus einzeln betrachtet durchaus nachhaltigen Materialien, die jedoch in einer Weise kombiniert werden, die Kleidungsstücke nach ihrer Nutzungsphase zum wertlosen Abfall macht. Besonders häufig passiert das durch den bisher nicht hochwertig recycelbaren Mix von Bio-Baumwolle und Recyclingpolyester in Sweat- und Jerseystoffen. Ein Materialmix, dessen Ökobilanz zudem wegen des Polyesteranteils durch Erkenntnisse über das Auswaschen von Mikroplastik bei der Wäsche deutlich in Frage gestellt wird.
Doch auch Kleidung, die laut Textilkennzeichnung nur aus Naturfasern und/oder ebenfalls biologisch abbaubaren Regeneratfasern wie TENCEL® besteht, ist in der Regel nicht kreislauffähig im Sinne von Kompostierbarkeit, also der Rückgabe in einen natürlichen Kreislauf. Schuld daran sind die Zutaten: von Nähgarn aus Polyester über Knöpfe aus Plastik bis hin zu den Wasch- und Zusammensetzungsetiketten. Nicht selten wird auch für das Branding mit Loop-Labels, Patches oder Stitching Polyester eingesetzt. Neben den Zutaten müssen wir zudem einen Blick auf die Färbungen und Ausrüstungen zu werfen. Auch viele in der Textilindustrie eingesetzte Chemikalien sind nicht biologisch abbaubar.
Wie echte Kreislauffähigkeit geht, hat prominent das Schweizer Taschen-Label FREITAG® mit der F-ABRIC-Kollektion gezeigt. Mit Avour und Mela Wear verschreiben sich weitere Labels der Ökoeffektivität. Während dies bei Mela Wear noch ein Ziel ist, sind die Avour Basic-Shirts bereits C2C-Silver zertifiziert.
Trigima hat schon 2012 mit der Change Linie die erste zertifizierte C2C-Textil-Kollektion auf den Markt gebracht, bietet jedoch weiterhin überwiegend konventionelle Bekleidung an. Eine einzelne kleine C2C-Kollektion gab es auch bei Puma. Die erreichte jedoch nur das Basic-Level unter den C2C-Zertifizierungen, welches als wenig anspruchsvoll gilt.
Überhaupt geht es weniger um eine Zertifizierung, sondern um das dahinter steckende Designprinzip. So ist auch F-ABRIC von FREITAG® nicht C2C-zertifiziert. Dennoch ist die Modelinie der Schweizer Taschenspezialisten die bisher erste Umsetzung von Ökoeffektivität mit einem kompostierbaren Mix aus Natur- und nachhaltigen Regeneratfasern. Bei den Hosen inklusive abschraubbaren Knöpfen.
Ich würde mir wünschen, dass das Ziel Ökoeffektivität bei den grünen Labels schon bald zum Standard wird. Oft ist dafür nur eine Umstellung des Nähgarns (z.b. auf TENCEL®-Nähgarn) und der Etiketten (z.b. auf Bio-Baumwolle) nötig. Klar ist es nicht realistisch bei Skinny-Jeans (die uns wohl noch eine Weile begleiten werden) und einigen körpernahen Damenschnitten auf Elasthan zu verzichten. Aber viele Oberteile brauchen keine petrochemischen Kunstfasern. Und auch für Polyester und Elasthan sind bereits kompostierbare Alternativen in der Entwicklung.
Eine technische Kreislaufführung für Kleidung ist ebenfalls denkbar, insbesondere bei sortenreinen Polyester- oder Nylonprodukten. Also eher bei Sportswear wie Windbreakern oder Badeshorts als bei Fashion oder Casual Wear, bei der wohl die wenigsten reine Kunstfasern tragen wollen.
Bei der FashionWeek in Berlin im Juni werde ich verstärkt die Augen offen halten nach Konzepten, die echte textile Kreisläufe ermöglichen. Wenn ihr weitere Beispiele von Labels oder Kollektionen kennt, die in diese Richtung gehen, schreibt gerne einen Kommentar.
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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