05 Aug, 2016

Die weite Welt entdeckt die Innatex

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Wer wie ich immer geglaubt hat, dass die Innatex etwas piefig ist und ein Reiseziel für die älteren Semester, der sollte mal hinfahren nach Wallau. Es ist nicht alles toll auf den 11.000 Quadratmetern, aber der Wille zur Erneuerung ist allerorten zu beobachten. Frische Labels sind da, interessiertes Großstadt-Publikum, junge Blogger-Szene und viele der Pioniere. Außen ist es immer noch ein bisschen „Fachwerk“, aber innen ist es modern. Manchmal fragt man sich, wer wohl die Nachfolge bei etlichen etablierten Naturtextil-Labeln antreten wird – aber wenn die Familie nicht parat steht, gibt es eine ganze Generation von jungen Modedesignerinnen, die vielleicht einsteigt?

Neue Töne gab es durch das Bloggertreffen mit den Gründerinnen und Macherinnen von TerraVeggia, Fashion Fika (schwedisch für „Pause machen), Jäckle und Hösle oder Aethic oder Farbenfreundin, die Bloggen als Business sehen und keine Lust mehr haben, nur mit Goodie Bags, Handcremes und Duschgels honoriert zu werden („Meine Wohnung ist ja kein Warenlager“). Und nicht jeder Blog-Eintrag müsse der „deepeste Scheiß“ sein, nicht alles Hardcore, es ginge eben auch mal darum, sich beim Lesen berieseln zu lassen. Kann ich verstehen, obwohl ein tragender Gedanke und ein schöner Satz eigentlich trotzdem in jeden Blog-Beitrag gehört. Gerne zugehört habe ich den offenen Schilderungen und praktischen Ratschlägen von Franziska Schmid von Veggie Love („Wo ist eigentlich euer Mega-Schmerzpunkt beim Bloggen?), die beispielsweise beschrieb, wie schwer es nach einer Pause ist, wieder Reichweite zu erzielen. Ihre Rezepte sind für jeden Neu-Einsteiger Gold wert.

Mich plagt ja eher das Gefühl, alles schon gesagt zu haben. Deshalb ist es gut zu sehen, dass Jüngere angefixt sind, über Öko-Mode und das Bekenntnis zu einem anderen Lebensstil zu schreiben. Dass ich zuviel Nettigkeit nichts abgewinnen kann, habe ich auch gesagt. Aber was erwartet ihr von jemanden, der sich dem politischen Aktivismus verschrieben hat? Die Welt ist noch nie im Konsens verändert worden, sondern immer gegen den Widerstand derjenigen, die sich nicht auf neue Verhältnisse einstellen wollten.

Die Bloggerinnen saßen auch in der ersten Reihe bei der Panel-Diskussion, auf welchen Social-Media-Kanälen man eigentlich Eco-Label bekannter machen kann. Mit dabei waren Michael Spitzbarth von „Bleed“, Benjamin Itter von „Lebenskleidung“, Mimi Sewalski vom „Avocado-Store“ und ich (Greenpeace Detox-Kampagne). Gut moderiert war der Experten-Talk von Fernsehjournalistin Janine Steeger (Green Janine). Der Konsum von Mode hat sich mehr und mehr ins Netz verlagert. Die Deutschen geben Milliarden aus in Online-Shops. Am liebsten bestellen sie Kleidung und Computer. 2015 im Wert von 11,8 Milliarden Euro plus Schuhe im Wert von 3,4 Milliarden Euro – keine Frage: Shopping ist Entertainment geworden. Dabei sollte eigentlich Handeln cool sein und nicht Haben.


Das war jetzt mein schöner Satz.


Auf dem Panel klingt das alles viel amüsanter, wenn es darum geht, auf welchen Kanälen – Twitter, Facebook, Instagram oder Snapchat – man denn präsent sein soll, um sein eigenes Eco-Label, seinen Laden oder seinen Online-Store bekannt zu machen. Patentrezepte gab es nicht, außer dass es nicht nötig ist, jedes angesagte neue digitale Tool auszuprobieren, sondern es gelte, sich zu überlegen, was man denn eigentlich sagen will und zu wem. Die Innatex wird die Expertenrunde für alle auf Youtube abrufbar machen. Und die Mode?

Als ich mit Bloggerin Hindi Kiflai („Daily Rewind“) über die Innatex schlenderte, fiel uns auf, dass etliche Label wirklich unter verkauft sind und trotz guter Produkte nicht wirklich aus dem Quark kommen. Beispiel gefällig?  Das schwedische Schuh-Label „Kavat“ mit ihren eher derben pflanzlich gegerbten Lederschuhen, die dennoch gut zum Rock passen oder zu einer hochgekrempelten Nudie-Jeans. Hier braucht es aber weniger Twitter-Schnipsel als ein hübsches It-Girl, das die Treter auf einem Musik-Festival trägt, so dass die Schuhe zum „ganz großen Ding“ werden und als neuer „Statement-Schuh“ gefeiert.

Mit meinem Hang zum Minimalismus gefiel mir die neue „Essentials“-Linie von Lanius. Acht ausgeklügelte Business-Basics, die sich perfekt untereinander kombinieren lassen. Feiner sommerlicher Pikee – einmal als Slim-Fit-Zigarettenhose, einmal als Marlenehose in Dark Blue werden kombiniert zur Seidenbluse in Weiß oder Pink. Absolutes Lieblingsteil: der Summerwoolcoat im Farbton Creme in kbt – einfach überwerfen, perfekt für die Übergangszeit. Für mich zu lang, kann man aber einfach unten abschneiden, riet mir Claudia Lanius. Lanius lässt sich übrigens in der „Kleiderei“ ausleihen – mein Geheimrezept für einen nachhaltigen Kleiderschrank. Und Schmuck leihe ich dort inzwischen auch. Ansonsten hat mir alles gefallen, was nach Reise aussah und bei mir Fernweh auslöste (floral oder oriental).

 

Kavat

Abends auf der Party habe ich dann schwarze Pluderhose getragen mit einem etwas bekifft aussehendem Seiden-Oberteil von Mandala. Und dann nichts fotografieren und nichts zitieren. Einfach Zusammensein – das ist notwendiger denn je. Danke an Sabine Lydia Müller, ihre Team und die Innatex.

Und jetzt gehe ich in Urlaub.

 

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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