08 Jun, 2008

Tchibo II: Unzensiert

Ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, dass Tchibo sich selbst an den Pranger stellen würde und die menschenunwürdige Plackerei, die in der globalen Textilproduktion gang und gäbe ist, tatsächlich eingestehen und für mich auf ein Tchibo-Shirt drucken würde.

Aber am Mittwoch um 13 Uhr war es soweit. Ich loggte mich in das Bestellsystem ein und erfuhr: „Die bestellten Artikel werden zur Zeit bedruckt“ sowie am Tag darauf: „Wir haben ihr Angebot gemäß §3 (2) unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen angenommen und die Ware wurde heute per Post oder DHL verschickt.“ Ist dieses Imperium tatsächlich so liberal oder hat einfach keiner was gemerkt? Ist die Fertigung schon komplett computergeneriert?

Falls ihr euch erinnert: Ich hatte bei Tchibo zwei kurze Hemden mit zwei kurzen Botschaften bedrucken lassen – sozusagen mit einem Nano-Bekenntnis. Auf dem einen stand: „Dieses T-Shirt hat ein Kind genäht“, auf dem anderen: „Gefertigt für Hungerlöhne“. Tatsächlich liegt ein gewisser Reiz in solcher Reduktion finde ich. Bei Greenpeace gilt: Keine Banner mit Fußnoten bitte, soll heißen: die Botschaft gewinnt an Größe, wenn sie auf ein Minimum reduziert wird.

Während ich wartete, trudelte bereits ein Kommentar eines Spreadshirt-Mitarbeiters ein, der auch gerne wissen wollte, wie seine als sauber gepriesene Firma produziert. Hey, fragt ihr denn nicht?

Was Spreadshirt damit zu tun hat? Um die Shirts zu gestalten und zu verkaufen, kooperiert Tchibo mit dem Leipziger T-Shirt-Drucker Spreadshirt, einem in kurzer Zeit rasant gewachsenen Internet-Anbieter für Shirts mit eigenen Sprüchen (www.spreadshirt.de).

Was treibt die beiden Unternehmen, gemeinsam ins Bett zu steigen? Spreadshirt treibt das ökonomische Kalkül, denn Tchibo garantiert hohe Abnahmezahlen. Tchibo wiederum treiben Prestigegründe, denn das Leipziger Unternehmen gilt als kreativ. Gegen diesen jungen Hüpfer ist Tchibo altbacken. Das ist legitim.

Aber wie cool ist diese Kooperation wirklich? Wie moralisch anständig produzieren sie ihre Billigware? Und wieso interessiert es Spreadshirt nicht, dass ich behaupte, ihr Geschäftspartner Tchibo sei ein Ausbeuterbetrieb? Ist das alles computergeneriert und kein Mensch guckt auf die Bestellungen? Und was sagt Tchibo dazu?

Anruf bei Eike Sievert, Pressesprecherin von Spreadshirt in Leipzig. Ich entschuldige mich nachträglich, Frau Sievert. Am Ende des Gespräches brüllt sie, das sei „ein Überfall“. Ja, das war es.

Und jetzt ungeschnitten, unzensiert und live…..

Woher kommen die Shirts von Spreadshirt, Frau Sievert? Von vielen hundert Zulieferern aus aller Welt, erklärt sie. Was wisse man über deren Produktionsbedingungen? Man ließe sich schriftlich zusichern, dass es keine Kinderarbeit gäbe. Glaube man das einfach? Wir können doch keine Leute nach Asien schicken, um Kontrollen zu machen, sagt Frau Sievert und ich werde das erste Mal sauer. Interessieren Spreadshirt die knochenharten Bedingungen in den Textilfabriken wirklich so wenig? Ob Tchibo nicht gefragt habe, wie und wo sie fertigen lassen. Nein, sagt sie, will aber noch mal nachfragen. Ob Spreadshirt umgekehrt gefragt habe, was für ein Image Tchibo in Sachen Umwelt- und Arbeitsschutz habe? Natürlich akzeptieren wir nicht jedes Angebot, sagt Frau Sievert. Eine Offerte allerdings jemals abgelehnt zu haben, kann sie sich auch nicht erinnern. Sei Tchibo schlecht?

Offenbar, entgegne ich. Denn Spreasdshirt hätte anstandslos meine Anklagen auf die Shirts gedruckt. Ob Spreadshirt dem zustimmte? Wir sind doch keine Stil-Polizei, solange ich keine rassistischen oder neonazistischen Botschaften drucken lassen wolle, seien Spreadshirt meine Vorwürfe egal. Mit dem betriebseigenen Programm scanne man die Bestellungen nur auf bestimmte Wortmarken, die geschützt seien. Wenn ich also ein Copyright verletze und „Cowgirl“ auf mein Shirt drucke, verweigert Spreadshirt das, aber den Geschäftspartner beleidigen, stört niemanden. Zumal Spreadshirt vermutlich unter erbärmlicheren Bedingungen produzieren lässt als Tchibo….

Beschweren sich die Firmen nicht? Ja, schon, sagt Frau Sievert. Aber es kämen ja nicht so viele auf so eine Idee wie ich. Sie empfehle denn Firmen dann immer, die Attacken „mit einem Augenzwinkern“ zu nehmen.

Das bleibt abzuwarten.

Anruf bei Andreas Engelmann, Konzernsprecher von Tchibo in Hamburg.

Wissen Sie, wie Spreadshirt produziert? Wieso? Sind die schlecht? Er rudert zurück. Wir sind auch nur eine Werbefläche für Spreadshirt, es gibt keine direkte Kooperation, nur eine temporäre Allianz. Dass der Tchibo-Kundin das im Tchibo-Shop nicht klar ist, weiß der Sprecher allerdings auch. Andreas Engelmann verspricht, sich in der CSR-Abteilung („Corporate Social Responsibility“) zu erkundigen und avisiert mir einen Anruf von Achim Lohrie, dem Mr. Sozialrechte bei Tchibo.

Störe es sie nicht, dass Spreadshirt nach Prüfung entschieden habe, mein Tchibo-Bashing zu drucken? Nein, sagt Andreas Engelmann gelassen. Wir zensieren nicht. Der Sprecher ist hörbar amüsiert. Dass Jonah Peretti vor einigen Jahren noch mehr Schwierigkeiten mit Nike hatte, macht ihm Spaß.

Der Tchibo-Mann schlägt flott einen zweiten Copytest vor. Ich solle doch jetzt mal ein Shirt bestellen, wo drauf stünde: „Spreadshirt ist ein Ausbeuterbetrieb“. Mal sehen, was passiere.

Von wegen, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Fassungslos blicke ich auf zwei Unternehmen, die sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben und eigentlich beide nichts wissen wollen.

Freue mich auf meine Shirts. Die verspäten sich, sagt Spreadshirt. Weswegen? Na, wegen der Rasenduelle natürlich. Alle Welt hat Fußballtrikots bestellt.

Und passend dazu rufe ich: Die Sache wird ein Nachspiel haben.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: Tchibo

3 Kommentare auf "Tchibo II: Unzensiert"

1 | Mirko

Juni 19th, 2008 at 17:35

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Spreadshirt laesst Dich auf die Shirts drucken, was Du moechstest. Und zensiert nichts. Das ist freie Meinungsaeusserung. Das ist besser, als so manch anderer Hersteller und Anbieter. Das solltest du nicht kritisieren, sondern eigentlich loben.

Und die haben im eigenen Sortiment auch viele Produkte, die aus Oeko-Baumwolle sind oder Fair Trade und wo der Kunde selber entscheiden kann, was er zu zahlen bereit ist. Aber diese Shirts waren Tchibo vermutlich zu teuer…

Disclosure: ich bin zufriedener Spreadshirt-Kunde und sehe die „Schuld“ hier eher bei Tchibo.

2 | martin

Juni 20th, 2008 at 12:19

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Liegt da der Fehler nicht eher bei Spreadshirt? Ich dachte, dass ist eine Leipziger Firma die dort produziert und druckt….
Würde mich freuen wenn Sie mich aufklären wie Tchibo und Spreadshirt arbeitet. Denn die Idee von selbstbedruckbaren T-Shirts find ich gut.

3 | Jonas

Juni 24th, 2008 at 16:10

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Wie sollte bei Spreadshirt zensiert werden? Wenn da auch Kinder produzieren, können die doch noch gar nicht lesen! Entschuldigt, den konnte ich mir nicht verkneifen :).