04 Aug, 2019
Stoppt den Grünen Knopf – Warum das staatliche Siegel eine Einladung zum Greenwashing ist
Hinweise: Vor der Veröffentlichung dieses Textes hat sich der Autor intensiv mit Mitarbeitern des zuständigen Ministeriums (BMZ) sowie der die Geschäftsstelle des Grünen Knopfes leitenden GIZ ausgetauscht. Vom Autor wurden auch ergänzende Vorschläge gemacht, um die Lücken des Ansatzes zu schließen. Eine Weiterentwicklung der Kriterien vor Einführung des Grünen Knopfs wurde gegenüber dem Autor am 02.08.2019 endgültig ausgeschlossen. Zugleich ist der Eindruck entstanden, dass den Mitarbeitern die Unfertigkeit des Konzepts durchaus bewusst ist, aber das Siegel unbedingt möglichst schnell eingeführt werden soll. Der Zeitdruck hinter der Einführung des Siegels scheint dem Autor vor allem in der sich einem möglichen früheren Ende zuneigenden Amtszeit des Ministers Gerd Müller zu liegen, der noch einen Erfolg bei seinen Aktivitäten hinsichtlich der Textilindustrie vorweisen will.
Ein staatliches Siegel für faire und nachhaltige Textilien ist eigentlich eine sehr gute Idee. Die privaten Siegel im Textilbereich decken oft nur Teilaspekte ab (ökologische oder soziale, Rohstoffproduktion oder Verarbeitung) und sind nach wie vor recht unbekannt. Ein staatliches Siegel hat das Potential einen wesentlich höheren Bekanntheitsgrad zu erlangen und genießt meist viel Vertrauen. Das gilt z.B. sowohl für den Blauen Engel als auch für das Bio-Siegel auf Lebensmitteln.
Bereits 2014 hat Entwicklungsminister Gerd Müller ein staatliches Textilsiegel angekündigt und wir in der Fair Fashion Szene haben eigentlich schon nicht mehr daran geglaubt. Nun wird es jedoch plötzlich konkret. Schon im September soll es erste Produkte mit dem Grünen Knopf geben. Aber leider ist das Siegel mit bisherigem Konzept keine Hilfe beim Erkennen fairer und nachhaltiger produzierter Mode, sondern eine staatliche Einladung zu Greenwashing und Verbraucherverwirrung.
Das Problem: Wenn die Standards eines solchen Siegels niedrig angesetzt sind, dann heftet das Siegel an Produkten, die den Anspruch wirklicher Fair Fashion deutlich unterschreiten, verleiht diesen Produkten aber zugleich maximale Glaubwürdigkeit, da staatlich geprüft. Der Grüne Knopf soll nun aber erstmal gar nicht vorrangig über eigene Kriterien funktionieren, sondern als sogenanntes Meta-Siegel bereits vorhandene Siegel zusammenfassen. Das klingt zunächst nach einem interessanten Konzept, doch vor allem der gewählte Geltungsbereich sowie die Kriterien zur Zulassung bestehender Siegel bergen große Potentiale für Greenwashing.
Nach gängigem Verständnis ist der Mindestanspruch bei öko-fairer Kleidung die Verwendung von umweltfreundlicheren Fasern (Bio-Baumwolle und andere Naturfasern aus Bioanbau, Recyclingfasern, ökologische Regeneratfasern wie Tencel) und eine faire Konfektion, also gute Mindeststandards beim Nähen der Kleidung. Der Grüne Knopf blendet hingegen die Faserebene komplett aus und betrachtet auf der ökologischen Seite nur das sogenannte Processing. Processing nennt man das Färben sowie das – insbesondere in der konventionellen Industrie übliche – chemische Ausrüsten von Stoffen (damit diese im Laden weicher Fallen, edel schimmern, u.Ä.).
Dieses Processing ist zweifellos von großer ökologischer Bedeutung und ist bei Fair Fashion Produkten sehr oft mitzertifiziert. Allerdings werden eben auch schon bei der konventionellen Fasererzeugung große Mengen giftiger Chemikalien eingesetzt. Beispielsweise im konventionellen Baumwollanbau, wo hochgiftige Pestizide nicht nur Böden belasten, sondern jährlich tausende Erkrankungen und Todesfälle unter Feldarbeiter_innen und Anwohner_innen von Baumwollfeldern verursachen. Dass ein Textil aus einer solchen Faser mit einem Grünen Knopf augezeichnet werden kann, ist ein erster unakzeptabler Mangel in diesem Konzept.
Neben konventioneller Baumwolle können natürlich auch alle anderen konventionellen Fasern, wie erdölbasierte Fasern oder zum Teil in der Herstellung ebenfalls sehr umweltschädliche Viskosefasern verwendet werden, wenn es für die Fasern eben keine Regeln gibt. Möglich ist zudem der Einsatz von teflonbasierten Membranen für Funktionskleidung, wodurch das Produkt faktisch zum Sondermüll wird. Und da es hierfür ebenfalls keine strenge Regelung gibt, ist auch der Einsatz von PFC-basierten Imprägnierungen möglich, deren gefährliche hormonelle Auswirkungen auf Organismen sowie die globale Verteilung und sehr langsame Abbaubarkeit in der Natur das zentrale Thema der Greenpeace Detox-Kampagne sind.
Mögliche Produkte mit einem Grünen Knopf wären also das konventionelle Baumwoll-T-Shirt, die konventionelle Viskose-Bluse und auch eine Funktionsjacke mit Gore-Tex-Membran und PFC-basierter Imprägnierung, wenn diese ein Zertifikat für „saubere“ Färbung und Ausrüstung vorweisen können. In Frage kommen hier die Siegel Öko-Tex Made in Green und bluesign, denn auch diese beiden sonst guten Siegel, lassen die Frage des Materials außer Acht. Und während Öko-Tex Made in Green PFCs gut reguliert, sind diese beim für Funktionsjacken sehr verbreiteten bluesign leider nach wie vor ein blinder Fleck.
Alle Produkte, die mit dem Grünen Knopf ausgezeichnet werden, müssen auch soziale Kriterien erfüllen. Das schützt jedoch nicht vor den Lücken auf der ökologischen Seite, denn Beispiele für fair genähte, aber zugleich sehr umweltschädliche Textilien gibt es jede Menge auf dem Markt.
Noch ärgerlicher ist, dass es auch auf der Seite der sozialen Standards eine sehr große Lücke gibt. Eine Produktion in Europa soll nämlich ohne weitere Kontrolle durch Dritte generell als „fair“ anerkannt werden. Dass es jedoch in Ländern wie Rumänien und Bulgarien systemische Probleme mit Mindeststandards und sogar Zwangsarbeit gibt, zeigen immer wieder Untersuchungen der Kampagne für Saubere Kleidung, die sich weltweit für bessere Arbeitsbedungen in der Textilproduktion einsetzt.
Auch darüber hinaus ist die Kampagne für saubere Kleidung (Clean Cloth Campaign, CCC) mit dem Konzept des Grünen Knopfs nicht einverstanden. Wie wir wünscht sie sich zudem vor allem gesetzliche Maßnahmen, die die Textilbranche insgesamt zu Verbesserungen zwingt und nicht auf Freiwilligkeit beruhen. Die vollständige Stellungnahme der CCC findet ihr hier.
Die bisher genannten Lücken ermöglichen, dass Produkte mit dem Grünen Knopf ausgezeichnet werden können, die weder fair hergestellt wurden, noch umweltfreundlich sind. Es gibt jedoch auch eine Lücke in die andere Richtung, die es erschwert, dass eine Gruppe von besonders umweltfreundlichen Produkten mit vertretbarem Aufwand einen Grünen Knopf bekommen kann.
Bisher gibt es am Markt nahezu keine Processing-zertifizierten Stoffe aus den noch recht neuen ökologischen Regeneratfasern wie Tencel, EcoVero und Modal Edelweiß, die von fast allen Fair Fashion Labels in der Damenmode und zunehmen auch bei Herrenmode eingesetzt werden. Da der Grüne Knopf vorrangig auf anderen Siegeln basiert, wird es sehr aufwendig, ihn für Styles aus solchen Materialien zu bekommen. Gerade besonders umweltfreundliche Produkte werden also trotz zugleich fairer Herstellung in der Regel keinen Grünen Knopf tragen.
Das Entwicklungsministerium gibt an die Faserebene und weitere Vorstufen zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt ergänzen zu wollen, aber ob das jemals wirklich geschieht ist ungewiss. Zudem ist die von dem Grünen Knopf in der derzeitigen Fassung ausgehende Verbraucherverwirrung auch für einen Zeitraum von 1 oder 2 Jahren unverantwortlich und einmal gelernte „Wahrheiten“ über „gute“ und „schlechte“ Textilien sind nur sehr schwer und langwierig wieder zu korrigieren.
FAZIT
Wir glauben weiterhin, dass ein staatliches Metasiegel geeignet wäre, um nachhaltige Mode erkennbarer und damit sichtbarer zu machen. Bei der bisherigen Konzeption sehen wir hingegen keinen Nutzen und dafür große Gefahren. Der Grüne Knopf ist so nicht geeignet das Erkennen und Unterscheiden von fairen und nachhaltigeren gegenüber objektiv umweltschädlichen Produkten zu erleichtern. Im Gegenteil, es wird erheblich erschwert.
Deshalb fordern wir Entwicklungsminister Müller auf: Stoppen Sie die überstürzte Einführung des Grünen Knopfs. Bessern Sie nach und nehmen Sie sich dafür die notwendige Zeit. Wir helfen Ihnen gerne dabei.
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |