27 Aug, 2016

Einmal ist immer das erste Mal

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Muss ein Irrtum sein, habe ich gedacht. „Feuerwear“ – Taschen-Label aus Köln – will Rucksäcke machen und dann auch noch welche für Frauen!  2013 klang Firmengründer Martin Klüsener  – hier im Grüne-Mode-Blog – noch so:

„Sie sind einfach ein “Männerlabel”, sagt Martin Klüsener und wird auch bei seiner Zielgruppe bleiben und bei Taschen&Accessoires. Das macht übrigens auch vom Material her Sinn. Denn der Feuerwehr-Schlauch ist sehr geradlinig, hart und “eckig” – selbst komplizierte Schnitte, die etwa für Rucksäcke nötig wären, sind schon schwierig.“

„Man muss Entscheidungen in Frage stellen können“, erklärt Martin drei Jahre später selbstbewusst – viele Frauen kauften beim Kölner Kultlabel und jede Menge echte Feuerwehrfrauen hätten das Modell mega-gut gefunden plus die Ladies, die den kürzeren „Elvis“ (Bild links) getestet hätten. Die Testerinnen seien nicht nur vom angenehmen Tragekomfort, sondern auch vom praktisch-strengen Design und den Farben Rot, Weiß und Schwarz begeistert gewesen. Der Grundschnitt ist übrigens derselbe wie beim Männer-Pendant „Eric“ (im Bild oben rechts). Ab 31. August ist „Elvis“ im Handel zu haben.

Man mag darüber streiten, ob der gebrauchte Feuerwehr-Schlauch nicht ohnehin ein bisschen zu schwer ist für Lasten-Taschen jeder Art, aber sicher ist auch, dass viele Rucksack-Modelle leichter, aber eher unpraktisch-originell sind und deshalb nicht alltagstauglich.

Ich teste also das Frauen-Modell bei einer Reise, denn Rucksäcke gehören zu meiner Dienstuniform als Greenpeace-Aktivistin. Früher hätte ich wohl als Begleiter einen Seesack gehabt. Ich brauche Platz für Laptop und sämtlichen Krimskrams, den man so mit sich rum trägt. Und ich will Fächer, in denen ich Hab und Gut unterbringen kann. Auf der Plus-Seite: Man kann dank etlicher Innentaschen total ordentlich mit dem „Elvis“ sein und das wird viel zu selten mit Beifall belohnt. Auf der Minus-Seite: Der Stauraum ist mir zu klein – obwohl sich das Volumen sogar von 7 auf 13 Liter fast verdoppeln lässt. „Elvis“ hat bereits einen Design-Preis bekommen, aber mir will der Rucksack zuviel. Er hat zwei markante Henkel an der Oberseite, damit er auch als Handtasche getragen werden kann. Mir sind diese beiden Henkel beim Befüllen des Rucksacks ständig im Weg – ich hätte darauf verzichtet. Kurz und gut: Das Frauenmodell ist keine Sommerliebe, mir gefällt das Männer-Modell „Eric“ deutlich besser. Das Trageklima ist durch die Lochgewirke auf der Rückseite der Rucksäcke übrigens sehr gut, denn die Luft kann zirkulieren.

Aber gerade das Material des Lochgewirkes bringt mich zu der Frage, was eigentlich neben dem gebrauchten Feuerwehrschlauch (klares Upcycling) an NEUEM Stoff im Rucksack steckt? „Alles, was grau-anthrazit ist am Rucksack, ist neu“, sagt Martin Klüsener offen und klar, beispielsweise die Gurtbänder.  Aber sie verwendeten Verschnitte und Reste, die in der Autoindustrie abfallen würden, etwa PVC-Planen, die sie direkt vom Produzenten bekommen. Das umweltschädliche PVC ist eigentlich ein absolutes No-Go für mich, auch wenn es hier „Pre-Consumer-Waste“ ist und sonst auf dem Müll landete.

Feuerwehrschlauch als einziges Material machte das Produkt tatsächlich zu schwer – Klüseners Team experimentiert mit Materialien und ist ständig auf der Suche nach Alternativen, etwa aus der Recycling-Material. . „Wir sind schon viel filigraner geworden“, ergänzt Martin. Die Nähereien in Polen und Serbien, mit denen sie seit langen Jahren arbeiten, hätten viele neue Lösungen gefunden. Mit seinem Upcycling-Konzept ist Feuerwear seit 1o Jahren am Markt und verarbeitet täglich 100 Meter Schlauch in neue Produkte.

2013 hatte Martin mir von einer möglichen US-Expansion erzählt, aber dann heraus gefunden, dass die amerikanischen Schläuche ganz anders seien und ein Riesen-Problem in der Verarbeitung. „Wir springen nicht leichtfertig auf Sachen auf“, sagt Martin. Sie überlegten dreimal, was sie finanzierten. „Wir sind spießig, was die Finanzplanung angeht“  und hätten nie einen Kredit aufgenommen, auch um unabhängig zu bleiben. Tatsächlich haben viele Label ihre konsequente ökologische Identität eingebüßt, als die Gründer Geld von außen nahmen, um zu wachsen (etwa Howies oder Kuyichi). Das muss nicht passieren, aber ein „spießiger“ Umgang mit Geld ist in dieser Hinsicht echt liebenswert.

„Feuerwear“ lädt im September übrigens zum Blick hinter die Kulissen ein und weil die Mädchen-Produkte jetzt ja im Einsatz sind, warte ich logisch nun auf: KULTURBEUTEL.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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