22 Sep, 2011
Zu simpel gestrickt
Die gute Nachricht zuerst: Die grüne Mode ist offenbar so gut, dass man sie endlich richtig kritisieren kann. So gesehen ist es ein dickes Lob, dass Stiftung Warentest die Öko-Labels Nudie und Kuyichi in den brandaktuellen Jeans-Test einbezieht. Und sicher ist auch, Fortschritt braucht Kritik.
Aber bei genauerem Hinsehen hat Stiftung Warentest sich nicht mit Ruhm bekleckert. Zumindest hat die renommierte Testinstanz die rechte Mischung zwischen Begeisterung für den Verbraucherschutz („nur harte Fakten untersucht“) und Sachverstand in diesem Fall missen lassen. Das ist bedeutsam, denn Stiftung Warentest ist ein echtes Schlachtross und die Durchschlagskraft ihrer Urteile ist nicht zu unterschätzen. Angeblich orientieren Dreiviertel der Bevölkerung ihre Kaufentscheidungen an diesen Warentests. Es ist also schlimm, wenn sie inhaltlich schwach sind und das Bio-Bashing auf tönernen Füßen steht.
Fassen wir kurz die Fakten zusammen. Selbstredend konzentriere ich mich als „Grüne Mode“-Bloggerin auf die mauen Bilanzen des schwedischen Jeanslabels Nudie und den niederländischen Ökopionier Kuyichi. Beide sind im grünen Modesegment extrem starke Marken und im Verkauf sicher die Riesen unter den Zwergen.
Beide schneiden bei Stiftung Warentest doppelt schlecht ab – sowohl was die Qualität der Hosen angeht als auch was die Ethik angeht. In puncto Haltbarkeit und Passform erhalten beide die Note „befriedigend“ (schlechter ging nicht), beim Ethik-TÜV (neudeutsch: CSR) hat Kuyichi faktisch mangelhaft, weil jede Auskunft verweigert wurde und Nudie werden „Ansätze“ bescheinigt, aber es fehlten Kontrollen. Ein gutes Zeugnis sieht anders aus.
Dass Kuyichi am Transparenz-Gebot gescheitert ist, war bereits bekannt, da die österreichischen Warentester schneller waren als die deutschen Kollegen von Stiftung Warentest und die Ergebnisse bereits in der Zeitschrift „Konsument“ publiziert hatten. Darüber habe ich ausführlich in einem früheren Blogbeitrag berichtet („Der Jeans-Check“). Die Händler, die im Korrekte-Klamotten-Netzwerk zusammen geschlossen sind, haben Kuyichi sehr hartnäckig erst Informationen und auch Verbesserungen abgerungen. Darüber – und wie genau der Fahrplan ist – wird Kuyichi in Berlin auf dem Fashion Summit ausführlich und öffentlich Stellung nehmen („Kuyichi stellt sich“). Hier hat die grüne Modeszene eindrucksvoll bewiesen, dass sie sehr genau beobachtet, ob die vertriebenen Marken auch wirklich ökologisch und ethisch einwandfrei arbeiten. Kuyichi hat diese Infos auch an Stiftung Warentest nachgereicht – nun gut, es war zu spät. Aber wer jetzt nach dem Negativ-Votum der Berliner Prüfer an dieser Marke zweifelt, kann den Zukunftskurs des Unternehmens bei den Korrekten Klamotten verfolgen. Ich habe keine Zweifel, dass alle grünen Conceptstores die Marke sofort aus den Regalen verbannen würden, wenn Kuyichi die Zusagen nicht einhält und entsprechende Zertifikate schuldig bleibt. Ich denke, Stiftung Warentest könnte das in der nächsten Ausgabe nachtragen – und sich meinetwegen auch gerne auf die Fahne schreiben.
Schwerer wiegt aber, dass Stiftung Warentest bei Nudie deutlich übers Ziel hinausgeschossen ist. Würden sie sich bei Öko- und Ethiksiegeln auskennen, wüsste die Redaktion, dass es zwar nur wenig gute Siegel gibt, aber Nudie sie alle trägt. Dennoch schreibt die Redaktion: Nudie „ruhe sich auf Zertikaten wie GOTS aus“. Na, worauf denn sonst? Das ist das beste Zeichen, was wir haben, es packt diese Firma in trockene Tücher und ist absolut ernst zu nehmen. Leider ist das nicht alles. Nudie ist obendrein auch noch Mitglied der „Fair Wear Foundation“ – das sind sicher die strengsten Kontrolleure von Arbeits- und Menschenrechten in der Modeindustrie. Beim letzten Ethik-Test („T-Shirts“) hat Stiftung Warentest dies noch angemahnt und Hess Natur auch ausdrücklich dafür gelobt. In diesem Fall bei Nudie mäkelig nur von „Ansätzen“ zu sprechen, ist merkwürdig inkonsequent.
Last but not least sei etwas gesagt, was Stiftung Warentest nicht bewegt, mich aber wohl: Die Hosen von Nudie und Kuyichi sind anders als die aller anderen getesteten Hersteller aus Biobaumwolle, sprich die Bauern verzichten gänzlich auf Pestizide und vergiften weder sich noch die Umwelt. Es spricht per se für ein hohes ökologisches und ethisches Engagement dieser Firmen, auf diesen vorbildlichen Rohstoff zu setzen. Dafür sollten sie ein „Sehr gut“ erhalten. Kunden, die durch das Bio-Bashing der Stiftung Warentest jetzt verunsichert sind, sollten wissen, dass sie mit Jeans aus Biobaumwolle eine gute Wahl treffen. Von dieser Qualität ist die spanische Modekette Zara, die als Testsieger gefeiert wurde, weit entfernt.
Autorin: Kirsten Brodde
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Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |