21 Jan, 2009
Sweatshops besser als nichts?
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Ein Kommentar ist nur ein kurzes Stück Text in einer Zeitung? Mitnichten. Selbst 50 Zeilen haben das Potential, eine Debatte anzuzetteln – wenn es sich denn bei der Zeitung um die angesehene „New York Times“ und beim Journalisten um einen ihrer konservativen Edelfedern handelt.
Unter dem Titel „Wo Sweatshops ein Traum sind“ schrieb Ostasien-Spezialist Nicholas D. Kristof eine Philippika gegen zuviel Arbeitsrechte und Gutmenschen, die sich dafür einsetzten. „Ich hätte liebend gern einen Job in einem Sweatshop“, zitiert Kristof exemplarisch die 19-jährige Pim Srey Rath, die Plastik auf einer Müllkippe im kambodschanischen Phnom Penh sammelt. Sweatshops – so Kristofs These – seien ein Weg aus der Armut und ihr Bann deshalb verwerflich.
„Ein Fauxpas“ lautete das Urteil der meisten 162 Kommentatoren, die auf sein „Op-Ed“ antworteten und auch die Leserbriefe witterten die Lust an der Provokovation des Schreibers. Doch Kristof ist ernstzunehmen. Regelmäßig bürstet er wohlfeile Sichtweisen gegen den Strich und immer mit dem Blick von jemanden, dem das Wohl der Menschen in den Entwicklungsländern am Herzen liegt. Schließlich lebt er seit Jahren in Asien. Und oft schwappen diese Diskussionen auch zeitverzögert zu uns über den großen Teich. Nicht nur Barack Obama diskutiert über Arbeitsrechte, wir diskutieren über Mindestlöhne. Da ist ein Blick auf die knochenharten Bedingungen, unter denen andere schuften, durchaus angesagt.
Die Leserbrief-Schreiber weisen auf zweierlei hin. Erstens: Gerade in Kambodscha gibt es eine Menge Sweatshops, in denen Kleidung hergestellt wird – und wo hart um Arbeitsrechte gerungen wird. Seit die Textilindustrie mit den USA leichteren Zugang zu ihrem Markt vereinbart hat, hält sich Kambodscha an internationale Vereinbarungen zum Schutz von Arbeitern – inklusive des Rechts, Gewerkschaften zu gründen. Die Industrie wuchs und gab mehr Menschen die Chance, von ihrer Arbeit menschenwürdig leben zu können. Arbeitsrechte haben hier also durchaus etwas Positives bewirkt. Von Jobverlust und Schaden für die Arbeiter kann deshalb nicht die Rede sein, wenn man für ihre Rechte streitet.
Zweitens: Wahrscheinlich hat kein Anti-Sweatshop-Aktivist und auch kein unabhängiger Soziologe je erlebt, dass ihm in einem Sweatshop gesagt wurde: „Hey, geh nach Hause, wir sind dankbar für diesen Job“. Auch wenn Nicholas Kristof den Arbeitern dort das vorschlägt. Unverändert fragen sie bis heute: „Könnt ihr irgendetwas tun, um unsere Jobs besser zu machen? Das ist der Punkt und deshalb liegt Kristof eben doch falsch.
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Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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