26 Okt, 2012

FairSchnitt – mit Modestudierenden für eine nachhaltige Modeindustrie

Das war super! Letzte Woche war ich bei der FairSchnitt-Konferenz von Femnet e.V. in Gelsenkirchen. Femnet ist Mitglied der Kampagne für saubere Kleidung und FairSchnitt ein Programm, um Modestudierende für ethische Themen der Textilproduktion zu sensibilisieren. Die sind nämlich leider nach wie vor in vielen Modestudiengängen wenig präsent.

Bei der Konferenz wurde den interessierten Studierenden und Lehrenden von 8 Modeschulen aus ganz Deutschland (Schwerpunkt NRW) eine Menge geboten. Dr. Ulrich Thielemann von der Denkfabrik für Wirtschaftsethik sorgte für einen spannenden philosophischen Einstieg und plädierte für eine ethisch integrierte Wirtschaftslehre statt der vorherrschenden Marktgläubigkeit. Ökonomie und Management sind in viele Modestudiengänge integriert und ihre Ausrichtungen prägen somit auch die Sichtweisen der Studierenden.

Auf dem anschließenden Podium diskutierten Dr. Christoph Schäfer vom Gesamtverband textil+mode, Autorin Kathrin Hartmann (Ende der Märchenstunde), Achim Lohrie von Tchibo und Dr. Ulrich Thielmann dann die gegenwärtigen Probleme der Modeindustrie und Ansätze für eine nachhaltigere Zukunft.

Herr Lohrie stellte Tchibo geradezu als Vorreiter der konventionellen Branche dar. Schon immer haben man sich bestens um die eigenen Mitarbeiter gekümmert, nur das man die Kontrolle der Bedingungen in der Produktionskette nicht einfach den Partnern überlassen kann, habe man eben lange nicht erkannt. Seit dieses Wissen auch ins Hause Tchibo einzogen ist, werde jedoch alles getan, um die Zustände zu verbessern.

Sorry, aber wer so die Fehlleistungen der Vergangenheit beschönigt, hat bei mir jede Glaubwürdigkeit verspielt. Und Tchibo ist damit keineswegs alleine. Von Jack Wolfskin und Versandhändler Otto habe ich schon ähnliche Auftritte erlebt. Neuanfang und zweite Chance immer gerne, aber bitte ohne Verklärungen der Unternehmensgeschichte.

Herr Schäfer vom Gesamtverband textil+mode sah die Rolle seines Verbandes eher zurückhaltend. Ökologische und soziale Themen würden schon aufgegriffen, aber direkt auf die Mitglieder einwirken wolle der Verband in diesen Fragen nicht. Schade!
Einig war er sich mit Lohrie, dass die Verbraucher durch die Nachfrage nach billigen Textilien und schnellen Modezyklen ein verantwortliches Handeln der Textilhersteller erschwerten.

Das sah Kathrin Hartmann wie zu erwarten ganz anders und forderte staatliche Regulierungen für die gesamte Industrie. Und auch die bisherigen Ansätze einer faireren und ökologischen Produktion sieht sie kritisch, da kaum ein Konzept alle Bereiche von der Faserzeugung bis zur Konfektion erfasse. Besonders pikant ist auch die Situation in der angeblichen Vorzeigefabrik Grameen Knitwear, die zur von Muhammad Yunus gegründeten Grameen Family of Organisations gehört. Auch dort sind massive Überstunden keine Seltenheit und 2011 musste die Fabrik wegen Arbeiterprotesten für Lohnerhöhungen und andere Verbesserungen vorübergehend geschlossen werden.

Am Nachmittag teilten sich die Konferenzbesucher auf 3 Workshops auf. Christiane Schnura (Kampagne für saubere Kleidung) arbeitete zum Thema Kodizes und Audits sowie deren Wirkungsgrenzen. Nicole Mehrbach (Stiftung Warentest) zeigte auf, wie die Ethik-Tests von Warentest im Textilbereich funktionieren. In einem dritten Workshop habe ich selbst verschiedene Konzepte fairer und ökologischer Produktion und Zertifizierung vorgestellt und anschließend einen Überblick über junge grüne Modemarken gegeben, die diese Konzepte umsetzen.

Abends stellten mehrere Studierende ihre Arbeiten zum Thema Ethik und Mode vor. Sehr beeindruckt haben mich die unterschiedlichen Upcycling- und ZeroWaste (kein Verschnitt)-Konzepte, die an der Hochschule Hannover entstanden sind. Gibt es ab 29. Oktober auch für 10 Tage in Berlin zu sehen. Hin da!

Von Anna Johannsons Präsentation ihrer ökologischen Outdoorjacke in Kooperation mit Vaude habe ich leider nur den Anfang mitbekommen. Musste zum Zug. Hoffe sehr das gute Stück bald anderswo gezeigt und erklärt zu bekommen.

Wegen anderer Aufgaben verpasst habe ich leider auch Tag 2 der Konferenz und damit auch Frederike Winkler und ihren Workshop zu Recycling- und Upcycling-Konzepten. Zudem unter anderem ein Podium mit Dr. Michael Arretz von KiK und Rolf Heimann von hess natur.

Neben dem spannenden Programm gab es auch Raum für den freien Austausch untereinander. Ich habe viele sehr motivierte Studierende kennengelernt, die sich mehr solche Angebote und auch mehr ethische Themen in ihren Studiengängen wünschen.

Also liebe Unis, FHs und Modeschulen, helft mit, dass die zukünftigen Entscheider_innen in der Modeindustrie mehr ethisches Denken und Handeln in die Unternehmen bringen können.

 

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

Hier finden Sie alle Artikel von .

Veröffentlicht in: News

1 Kommentar auf "FairSchnitt – mit Modestudierenden für eine nachhaltige Modeindustrie"

1 | Christian Kupsch

Oktober 26th, 2012 at 18:37

Avatar

Also bei einem machen es sich die Unternehmen mal wieder schön einfach: „Der Kunde will ja schnelle Modezyklen – wir sind ja nur Sklaven der Kunden.“
Eingeführt haben diese Zyklen die Modeunternehmen (allen voran Zara und H&M), ganz ohne jegliches vorangegangenes Kundenfeedback dazu. Dass der konsum-verführte Kunde dann irgendwann – nach entsprechenden Marketing- und Werbemaßnahmen – darauf anspringt und sich drauf einstellt, ist eher ein typisches psychologisches Verhalten und weniger eine Nachfrage, die auf einen tiefes Grundbedürfnis zurück zu führen ist.

(Und davon abgesehen: Warum wollen Unternehmen eigentlich arme, unschuldige Sklaven sein? Hmmm, eine realistischere Motivation der Unternehmen scheint mir da dann doch diese Sache mit diesem „Profit“ oder wie das nochmal heißt. *grin*)