21 Jan, 2013

Mädchenland

Gleich vorneweg: Der Laufsteg im Zelt am Brandenburger Tor ist kein leichtes Pflaster für Modenachwuchs – zu groß sind die Erwartungen. Die grünen Label haben es doppelt schwer und werden gern von oben herab behandelt.  So musste sich Anne Gorke in der Berliner Zeitung anhören, ihr „Nachhaltigkeitskonzept“ sei „lobenswert“.  Bei allem Respekt, liebe Berliner Zeitung, dass belegt nur, wie sehr auf dem Ist-Zustand in der Mode beharrt wird und Edelklamotten, bei denen keine Rolle spielt, wie sie produziert wurden.

Annes Mode ist eine Augenweide und so, wie grüne Couture durchaus mehr sein könnte.  Die Kleider sind elegant, Oberteile wie der blaue Longblazer und Röcke so pur wie die Bauhausarchitektur, die Anne inspiriert hat. 25 zeitlose und tragbare Entwürfe, die ihr zu Unrecht als „Schulmädchen-Look“ ausgelegt werden, sprich als zu brav. Dunkelblau, Grau und Schwarz werden mit Creme- und schimmernden Goldtönen ergänzt, Web- und Strickstoffe aus Biobaumwolle mit Wildseide (von Lebenskleidung) kombiniert. Weshalb ich mich etwas ratlos gefragt habe, warum sie die Kollektion mit „Nachtigallen“ verknüpft hat. Diese Vögel singen ja schön, aber sind braun und unscheinbar – sie sind also äußerlich genau das Gegenteil von Annes Entwürfen.

Die figurbetonten und knappen Outfits wiederum, die mir sehr stilistisch gut gefielen und perfekt sind für eine junge Anhängerschaft, verführten die Berliner Zeitung zur Bezeichnung „Tank-Girl“ und schoben sie so in Richtung Domina und Männerfantasie. Das grenzt schon an Sabotage.  Hier ist „Mädchenland“ sagte Anne hinter der Bühne und das trifft es eher. Sie macht Mode für Mädchen, die ich mir so vorstelle wie in der britischen Komödie  „Happy Go Lucky“, unbeschwert, sorglos und leichtfüßig.

Das geheimnisvoll Düstere, was neben Anne Gorke auch Isabell de Hillerin bemühte, die im Studio, dem kleinen Ableger des langgestreckten Zeltes präsentierte, schreckt mich eher ab. Ich vermute, dass die Ökolabel fürchten, in die Gutmenschenecke abgeschoben zu werden und deshalb meinen, ins Abgründige flüchten zu müssen. Zumindest die Texte verdienen ein Lektorat: „Magischer Magnetismus des Düsteren“ – da ist Harry Potter besser formuliert.

Den Applaus nach der Show hat Anne mehr als verdient. Ihre Freudensprünge am Ende zeigten, wie erleichtert sie war, dass ihre Kleidung so gut ankam.

Der graue, frostige Winter in Berlin, aber auch die gedämpften Töne vieler Kollektionen, haben bei mir sofort ein Bedürfnis nach Farben ausgelöst. Den Samstag vormittag habe ich im Berliner Aquarium verbracht. Die prachtvollen Bodenguckermakrelen, die wie ein Schwarm Silbermünzen an mir vorbei zogen oder die knallbunten Frösche, die wie frisch gelackt aussahen, waren der Catwalk, der mir am besten gefallen hat.  Ganz nah dran sein und selbst Details erkennen können, das ist schon ein Privileg.  Im Aquarium wie bei der Fashion Week.

Danke, Anne.

 

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

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