30 Jan, 2013
Innatex wird immer grüner und jünger

Mein erstes Mal Innatex. Irgendwie habe ich es in den letzten Jahren nie geschafft die Mutter aller grünen Modemessen zu besuchen. Dabei ist die Innatex mit über 15 Jahren weltweit die traditionsreichste Messe dieser Art. Diese lange Tradition ist auch der Grund, warum in Hofheim-Wallau nahe Frankfurt nun 2 mal jährlich 2 (oder mehr?) Generationen von Anbietern und Händlern ökologischer Kleidung aufeinander treffen.
Die erste Generation speist sich aus den 1980ern und 1990ern, in der Kunstfasern und Viskosen die Mainstreammode komplett eroberten und sich einige zurücksehnten nach reinen Naturfaserstoffen. Auch glaubten damals viele, Kunstfasern seien ökologisch wie gesundheitlich generell mies, Naturfasern hingegen generell gut. Biologischer Anbau der Fasern war da auch bei Ökos noch lange nicht selbstverständlich und so hebt die Innatex nun Jahr für Jahr den Pflichtanteil von Fasern aus Bio-Anbau und Bio-Tierhaltung etwas an und baut damit eine Brücke für viele langjährige Aussteller, die bisher nur mit konventionellen Fasern gearbeitet haben.
Die neue Generation hingegen ist die der Nullerjahre. Sie hat ein stark wissenschaftlich geprägtes Nachhaltigkeitsverständnis. Fasern werden nach ihrer Ökobilanz bewertet und es zeigt sich, dass synthetische und auch recycelte petrochemische Fasern ökologisch sogar mit Bio-Baumwolle mithalten können. Der neuen Generation geht es vor allem um die Arbeitsbedingungen und Gesundheit in den Produktionsländern sowie unser aller natürliche Lebensgrundlagen .
Diese Einordnung ist selbstverständlich alles andere als trennscharf und ein großer Wert der Innatex liegt heute eben genau darin, die Generationen zusammen zu bringen. Dabei hat die Messe mit dieser Ausgabe nochmal einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Neben den langjährigen Ausstellern vereint sie inzwischen all die jungen grünen Brands, die sich bei der Berliner Fashion Week über 4 bis 5 verschiedene Messen verteilen. (Ein vollständiges Ausstellerverzeichnis findet ihr hier.) Und für die Jungen lohnt sich der Auftritt in Hofheim-Wallau. Die Offenheit der traditionelleren Naturtextilhändler für neue Marken, Stile und auch Materialien ist groß. Außerdem ist die Innatex eine richtige Order-Messe und eine wo auch Neukunden direkt Aufträge schreiben.
Nach der sehr ausführlichen Berichterstattung zur Berliner Fashion Week habe ich mich auf die Labels konzentriert, die ich dort nicht besucht habe oder fehlten. Zum Beispiel KnowMe, die auch im Beirat der Innatex vertreten ist. Neben Bio-Baumwoll- und Bio-Wollstoffen setzt sie verstärkt alte Stoffe im Sinne eines Upcyclings ein. So hat sie eine edle, leicht japanisch anmutende Bluse aus Damast-Bettwäsche kreiert. In Kleidern und Tops kombiniert sie Bio-Jerseys mit gebrauchten und Reststoffen von Flohmärkten und anderen Quellen.

Foto: Peter Porst | INNATEX/Muveo GmbH
Tolle Materialien und moderne erwachsenene Designs zeigt die große und starke Kollektion des Damenmode-Labels Alma&Lovis. Neben Bio-Baumwolle wird auch viel Seide, Alpaca und Merinowolle eingesetzt. Auf dem gemeinsamen Stand präsentierte sich zudem Meinfrollein mit fashionorientierten Mützen und Schals. Während die eigentliche Produktion in Deutschland erfolgt, wird jede Mütze durch kleines Fairtrade-Sorgenpüppchen zum Unikat und unterstützt zugleich eine Frauenkooperative in Guatemala.
Wegen des Andrangs nur kurz habe ich den Stand von Leibschneider besucht. Beeindruckt hat mich die große Auswahl an tollen Jacken. Als eines von wenigen jungen Labels bietet Leibschneider auch größere Größen an. Auf dem gleichen Stand präsentierte sich das Premium-Damen-Jeans-Label Pearls of Laya, das seine figur-optimierenden Hosen ebenfalls in einem größeren Größenspektrum produziert.
Bei Mud Jeans aus den Niederlanden werden Jeans nicht mehr gekauft, sondern geleast. 5 euro pro Monat kostet eine Mud Jeans sowie 20 euro „Startgebühr“. Nach einem Jahr kann die Jeans entweder zurückgegeben und der Vertrag damit beendet werden oder die Jeans wird für 7,50 euro gegen ein neues Modell getauscht oder durch Zahlung weiterer 4 Monatsbeiträge komplett erworben. Auch im letzteren Falle kann die Jeans dann sobald sie nicht mehr gefällt oder kaputt ist, gegen ein neues Modell getauscht werden. Im laufenden Vertrag werden die Jeans zudem kostenlos repariert, wenn das nötig wird. Zurückgegebene Jeans werden entweder als Worn-Jeans angeboten oder bei unreparablem Zustand für neue Jeans recycelt. Alle Mud Jeans sind auch bereits jetzt anteilig aus Recyclingfasern hergestellt.
Mode als „Dienstleistung“ ist ein spannendes Konzept. Ich bin noch unsicher, inwieweit es sich jenseits des Ausleihens von Garderobe für besondere Anlässe durchsetzen wird. Das Reparieren und „in Zahlung nehmen“ aufgetragener Kleidung findet hingegen bereits immer größere Verbreitung, gerade im Jeansbereich. Grüne Hersteller können so zudem auch recycelte Bio-Baumwolle anbieten, an die sonst sortenrein nicht dran zukommen wäre. Und steigen erstmal die Preise von Frischfasern, werden sicher auch viele konventionelle Unternehmen versuchen, ihre aufgetragene Kleidung von den Kund_innen zurück zu bekommen. Erste Initiativen gibt es ja bereits.
Mein persönliches Highlight der Messe war die Premiere des neuen Brands „Wunderwerk“ von Heiko Wunder und Tim Brückmann. Die Jersey-Tops mit tollem Griff bestehen aus einem Mix von Bio-Baumwolle mit Modal Edelweiß, der neuen synthetischen Ökofaser von Lenzing. Dazu werden Kaltwaschverfahren angewendet, was eine leicht ungleichmäßige Färbung ergibt und schon die Basics zu etwas besonderem werden lässt. Die Hosen kommen teils mit starken Batikeffekten daher und erfüllen dennoch GOTS-Standard. Auch zertifizierter Wollstrick ist gleich in der ersten Kollektion dabei. Die Breite und Ausgereiftheit der Erstkollektion ist sicher auch auf die langjährige Erfahrung der Gründer im Textilgeschäft zurückzuführen.
Fazit: Die Verjüngung der Innatex schreitet voran und genauso der Anteil wirklich nachhaltigkeitsbemühter Aussteller. Das Nebeneinander sorgt für ungewohnte Kontraste, aber eben auch für das Aufeinandertreffen der Generationen. Ich komme auf jeden Fall wieder und beim nächsten Mal lass ich mir auch die Party nicht entgehen!
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Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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