10 Mrz, 2009

Zurück auf Einfach

https://www.zeller-present.de/images/items/16200.jpg

Wenn meine Tochter etwas genäht haben will, geht sie einen Stock tiefer zu ihrer Großmutter. Sie ist stolze Besitzerin einer Nähmaschine, eines Nadel-Frosches, den man wie ein Armband um sein Handgelenk legen kann, einer Knopfkiste und einer Stoffreste-Sammlung, die einen Schrank füllt. Und sie liegt damit voll im Trend. Denn eine neue Studie der Nottingham Trent University erklärt, dass eine Rückkehr zu Überliefertem wie Knöpfe annähen und Kleidung ändern der beste Weg ist, um Kleidung langlebiger und damit ökologischer zu machen.

Tom Fisher, Professor für Kunst und Design und einer der Studien-Autoren sagt: „Früher wurde Kleidung gestopft, weil etwas Neues zu teuer war. Seit Kleidung so billig ist, schmeißen die Leute sie bedenkenlos weg, statt zu überlegen, ob sich noch etwas daraus machen lässt“. Und wenn es nur Putzlappen sind! Was er zu ergänzen vergaß: Vielen fehlt auch das Knowhow dazu.  Hausmittel wie einen Hustensaft aus Thymian selber zu brauen, wurde vielen noch beigebracht, wie man eine gerade Naht macht oder einen Saum kürzt, schon nicht mehr. Ehrlich gesagt: Als meine Großmutter mir eine Nähmaschine hinstellte und mich auf Papier üben ließ, eine Naht zu machen, hatte ich schnell keine Lust mehr. Heute bedauere ich das. Stunde um Stunde habe ich in ihrer alten Schuhmacherwerkstatt gesessen und statt mein handwerkliches Können zu schulen, habe ich vermutlich am Kleber geschnüffelt. Nur ihren alten Schnürsenkelkasten habe ich heute noch.

Sicher tut die Finanzkrise derzeit etwas dazu, dass die Menschen sich darauf besinnen, Dinge zu reparieren und nicht immer alles gleich neu zu kaufen. Ich finde das das eine Idee ist, die nichts mit Verzicht zu tun hat, sondern durchaus mitreißend ist und Glamour hat. Dinge anders zu machen, müssen wir ohnehin gerade mühselig lernen.

Meiner Tochter habe ich das auch erklärt. Sie liest zur Zeit: „Wie gründe ich ein Modelabel?“, eines der Bücher, die ich vom Avedition Verlag nach Hause geschickt bekommen habe. Gottseidank hat sie es schnell zur Seite gelegt, um eine ihrer Mädchengeschichten weiterzulesen. Mein Buch hat sie allerdings auch nicht gelesen. Mir aber einen guten Rat gegeben: Ich solle doch Vampirgeschichten schreiben, das garantiere reißenden Absatz. Gut, entgegnete ich verstimmt, dann nenne ich den einen Blutsauger „Hennes“ und den anderen „Mauritz“.

P:S: Wer doch eine Modefirma gründen will, kann man in der ZDF-Reihe Zukunftsmacher mal diese Firma aus Kemmern bei Bamberg begucken, die ich ganz prima finde:

http://blog.zdf.de/zukunftmachen/2009/03/-manchmal-muss-man-sich.html

P.S: Zum Thema „Green Nanny“ empfehle ich auch Karmakonsum!

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: Gelesen

4 Kommentare auf "Zurück auf Einfach"

1 | Fr.Jona&son

März 10th, 2009 at 16:40

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Jaja, die jungen Frauen heute können nicht einmal einen Knopf annähen….ich habe es erlebt, daß bei einem Recycling-Workshop für Kinder, den ich hielt, die lieben Mädels entweder altes, gutes Nähzeug von der Oma oder billige Nadeln, etc aus dem nahegelegenen Supermarkt mit hatten. Die wenigsten Mütter dieser Kinder konnten nähen…..
Es ist ja fast zum Lachen,wenn es nicht so traurig wäre, daß es in amerikanischen Magazinen „hip“ ist, etwas an seiner KLeidung selbst zu reparieren anstatt es gleich wegzuwerfen.
Was ist da die letzten Jahrzehnte so falsch gelaufen, daß so viele Menschen Hand-Werk verlernt bzw nie gelernt haben?

2 | Kaffeebohne

März 10th, 2009 at 16:55

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Ich besuche seit zwei Jahren einen Nähkurs bei der VHS, für den wir 8 Teilnehmer benötigen, damit der Kurs stattfinden kann. Außer mir ist noch eine Dame von Anfang an dabei, der Rest wechselt von Kurs zu Kurs.
Mir geht es um das Erlernen von Know-How und darum, für mich passende Kleidung zu nähen, Hosen für meine Kinder zu kürzen etc.
In jedem Kurs ist mindestens eine Teilnehmerin, die mit mir eine Diskussion anfängt, wie viel mich dieses Kleidungsstück jetzt gekostet hat und wie viel billiger ich das bei (Textildisconter Ihrer Wahl einfügen) bekommen kann.
Mir gehen mittlerweile die Argumente und die Lust zum Argumentieren aus. Sie fahren mit spritfressenden SUVs auf den Parkplatz und benötigen zwei Stellplätze. Aber Klamotten kaufen sie bei Kik.

3 | Kirsten

März 11th, 2009 at 12:41

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@Frau Jona&son und Kaffeebohne: Nicht nur in amerikanischen Magazinen ist das angesagt. Ich habe gestern am Kiosk die neueste Ausgabe des deutschen „Missy Magazine“ gekauft, dass extrem jung ist. Und was finde ich? „How to make your own“ – eine Schlafsackvermantelung. Dort erklärt Steffi Müller, wie ich in neun Schritten vom Schlafsack zum Mantel komme. Amüsiert blättere ich weiter und erfahre, dass Steffi Müller „Pionierin der Crafting-Bewegung in Deutschland“ sei und do-it-yourself Mode macht. Guckt mal unter http://www.ragtreasure.de (tragbare Textilcollagen) und lest das Interview in der Missy (leider nicht online, 3,80 Euro am Kiosk…).
Natürlich, ich weiß, Steffi Müller ist weit weg davon, Kleidung für jeden Tag zu machen und ist eher an der Schnittstelle zur Kunst anzusiedeln, aber sie promotet die Idee des Selbermachens und bietet Nähkurse an.
Und zu den dummen Sprüchen: Die Kik-Käuferin wird die dort gekaufte Kleidung nie schätzen und sicher nicht lange behalten, du aber Kaffeebohne verbindest was mit den selbstgemachten Sachen und wirst sie sicher hüten. Sei also getröstet.

4 | Chris

März 30th, 2009 at 08:38

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Mich wundert es gar nicht, dass die Mütter der ganz Jungen es nicht können, denn sie waren die erste Generation, der Kleidung im Überfluss zu Billigpreisen angeboten wurde. Selbstmachen war verstaubt und als ich mit 14 mein erstes Teil mit Geometriekenntissen als Hilfe dilletantisch bastelte, weil ich niemanden kannte, den ich hätte fragen können, wurde ich belächelt.

Ausserhalb großer Städte war es meist sehr schwierig an Stoffe zu kommen, die etwas anders waren als das Übliche und manchmal kam ich mir vor wie an Drogen interessiert, wenn Adressen weiter gegeben wurden und ich zu einer Fabrikhalle auf einem stillgelegten Gelände fuhr, weil dort eine Händlerin mit Stoffen aus Zentralasien von einer Reise zurück gekommen war und ich aussuchen durfte.

Mittlerweile kommen Töchter von Freundinnen, denen die Massenware wohl zu langweilig ist und die Ideen entwickeln möchten und ich nähe immer noch besondere Teile mit fast 40 und genieße die Komplimente und Fragen, wo ich denn das Teil her habe, wenn jemand nicht weiß, dass ich es selbst herstelle.

Es ist aber nicht nur wichtig, es zu können, sondern vor allem auch sich auszutauschen und weiter zu geben und vielleicht bekommt Kleidung irgendwann wieder einen Stellenwert, der ihr gebührt und der weit entfernt ist von Billigware aus Fernost, die auf Kosten der Gesundheit vieler hier verramscht wird.