01 Jun, 2008
Tchibo druckt mein Shirt
Erinnert sich noch jemand an Jonah Peretti? Im Februar 2001 bestellte der amerikanische Student beim Sportartikelhersteller Nike Laufschuhe, auf denen unterhalb des Markenzeichens (des „swoosh“) das Wort „sweatshop“ – zu deutsch: Ausbeuterbetrieb gestickt sein sollte. Damit wollte er darauf aufmerksam machen, dass die Schuhe von Kindern hergestellt wurden. Nike weigerte sich, die Bestellung auszuführen. Peretti veröffentlichte daraufhin seinen Briefwechsel mit dem Konzern und in kürzester Zeit verbreitete sich die Story weltweit über das Internet.
Sieben Jahre später, im Mai 2008 bekomme ich eine Mail von Tchibo, die mir anbieten, ein individuelles Shirt zu gestalten. Meine Kollegin Tanja Busse (Autorin der „Einkaufsrevolution“) erinnert mich an Perettis Netzaktivismus von damals und ich beschließe, auf Perettis Spuren zu wandeln.
An den knochenharten Bedingungen hinter den Kulissen der globalisierten Textilproduktion hat sich bislang nichts geändert und Tchibo ist inzwischen einer der größten Textilhändler hierzulande. Die Kampagne für saubere Kleidung hatte den einstigen Kaffee-Konzern schon mehrfach wegen seiner Billigproduktion im Visier – bislang ohne Erfolg.
Tchibo schlägt für Herren „Fußballgott“, für Damen „Sweet“ und für Hunde „I love cats“ als Aufdruck für das Shirt vor. Ich entscheide mich für zwei nettere Slogans und lasse mir für je 14,90 Euro zwei Shirts damit bedrucken. Auf dem roten Shirt soll in weißer Schrift: „TCHIBO SHIRTS: GEFERTIGT FÜR HUNGERLÖHNE “ prangen, auf dem schwarzen Modell: „DIESES T-SHIRT HAT EIN KIND FÜR TCHIBO GENÄHT“. Beides kann ich nicht beweisen, es ist pure Spekulation – nur gedeckt von den Berichten der Kampagne für Saubere Kleidung. Sicher aber Anlass für eine Debatte über die armseligen Geschäftspraktiken der Textilfirmen.
Prompt simuliert mir das Bestellprogramm auf dem Computerbildschirm, wie die Shirts aussehen werden, stellt mir 33,70 Euro in Rechnung und verspricht eine Lieferung in vier Werktagen. Ich kann das Service-Team anrufen, wenn etwas schiefläuft, worauf ich mich bereits freue. Tchibo verspricht überdies „faire Rückgaberegeln“, sollte mir etwas missfallen, was mir angesichts der unfairen Bedingungen, unter denen der Konzern in hunderten Fabriken weltweit schneidern lässt, wie pure Ironie erscheint.
In den Geschäftsbedingungen weist Tchibo, die mit dem Leipziger Unternehmen Spreadshirt kooperieren, darauf hin, dass man den gewünschten Slogan auf seine „rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit, insbesondere auf einen Verstoß gegen Schutzrechte Dritter“ prüfen wird.
Ich entschuldige mich schon jetzt bei dem Sachbearbeiter, der nun entscheiden muss, was er tut.
Und versprochen: es gibt auf jeden Fall ein Open Posting der Antwort. Vielleicht schickt der ein oder andere auch eine Bestellung raus? Schön wäre vielleicht: „Tchibo-Shirts: gezogen durch Bäder von Chemikalien“. Oder „Tchibo-Shirts: Reizwäsche für Umwelt und Gesundheit“.
Und sollte Tchibo tatsächlich anstandslos liefern, garantiere ich ein Sit in mit Shirt vor der Konzernzentrale von Tchibo in Hamburg, bis ich weggetragen werde.
„Dieses Shirt hat Tchibo für mich produziert“ – wird auf dem Banner stehen. Plus der Behauptung, die die Firma nicht zu beanstanden fand.
www.tchibo.de unter Tchibo plus
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
Veröffentlicht in: Tchibo