09 Jul, 2009

Flucht nach vorne

Die Berliner Macher der grünen Modemesse „TheKey.to“ haben offiziell bekanntgegeben, im nächsten Jahr nicht mehr im alten Postamt in Neukölln zu residieren, sondern in der Nähe der Streetwear-Messe „Bread and Butter“. Das ist gut so und sicher als Flucht nach vorne zu verstehen. Denn mit der Auswahl des abgeschiedenen und – schonungslos offen gesagt – schmuddeligen Postamtes haben Frans Prins und Gereon Pilz van der Grinten der grünen Modebranche einen Bärendienst erwiesen.

Nicht nur, dass es wie Ostereier-Suchen war, bis man die Messe überhaupt fand, das dunkle Gebäude mit dem Charme einer Hertie-Filiale ließ auch jede emotionale und ästhetische Qualität vermissen. Klar ist: Mode – auch grüne – muss inszeniert werden. Helleres Licht wäre schön gewesen.

Bis man sich durch den engen Treppenaufgang in den zweiten Stock gekämpft hatte und dort auf Pappwände traf, war etlichen Besuchern schon die Lust auf die grüne Mode vergangen. Auf der Strecke blieben die wahren Stars der Messe, die grünen Labels. Verdient hätten sie einen Auftritt mit biblischer Wucht, bekommen haben sie einen Rückfall in die Strick- und Stickstuben-Optik der 70er-Jahre. Ihre Enttäuschung war dementsprechend groß. „Wir haben so hart daran gearbeitet, das Müsli-Image abzustreifen, hier sind wir darauf zurückgeworfen“, bilanzierte Felicia Moss von Slowmo und sprach damit etlichen Designern aus dem Herzen.

Härter noch kritisierte Bernd Hausmann, Deutschlands größter Händler für grüne Mode, die schrabbelige Ökomesse. „Das ist ein Rückschritt für die ganze Bewegung“, sagte er. Sein Pop-Up-Store „Glore“ und auch „Wertvoll“, der zweite Berliner Laden, beweisen dagegen jeden Tag, wie ein gutes Konzept sich mit einer guten Präsentation paart. Dort ist zu erleben, wie gut grüne Mode aussehen kann und wie gut sie sich anfühlt. Die Kunden müssen diese Mode wirklich haben wollen, sie lieben  – das haben die Macher von „TheKey.to“ sträflich missachtet und keine Bühne dafür geboten. Daran konnte auch der wunderbare Do-it-yourself-Workshop am Samstag nichts mehr ändern.

Dabei sind beide grüne Messe-Macher eigentlich „Agenten des Wandels“ und mit viel Herzblut dabei. Sie wollten die Tür zu etwas Neuem aufstoßen. Aber gut gemeint ist halt nicht gut gemacht.

Ihre schnelle Ankündigung, umzuziehen und professioneller zu werden, ist deshalb eine große Erleichterung für mich. Zu Recht musste ich mir von Modemachern in Berlin vorhalten lassen, ich hätte diese Messe im Vorfeld hochgeschrieben und sogar ein „Schlüsselerlebnis“ versprochen. Touché.

„TheKey.to“ war ein Experiment. Experimente können schiefgehen. Womöglich sind das „Kinderkrankheiten“ wie Utopia schrieb, die zu einem freundlicheren Urteil gelangten. Da dies hier aber ein Verriss ist, habe ich Frans und Gereon den Text gestern vorab geschickt und um einen Kommentar gebeten. Sollte er eintrudeln, werde ich ihn abdrucken.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

9 Kommentare auf "Flucht nach vorne"

1 | Nicole

Juli 9th, 2009 at 17:04

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Ich fand es auch schrecklich schmuddelig und habe mich dort sehr unwohl gefühlt. Das Ambiente war sehr unpassend. Aber liegt das nicht auch daran, dass Frans kein großes finanzielles Risiko eingehen kann um adäquate teure Räume anzumieten? Könnte man nicht die Schirmherrin bemühen, sich für eine Gratisfläche für Newcomer im Hangar einzusetzen? Das liese sich ja durch die Größe des Standes & Umsatz begrenzen.

2 | Kirsten

Juli 9th, 2009 at 22:03

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@Nicole: Die Idee mit den gesponsorten Flächen in Tempelhof finden ich super! Natürlich hast du recht, Frans und Gereon haben nicht dasselbe finanzielle Polster wie die Bread-and-Butter-Leute. Deswegen habe ich mich gewundert, dass sie in der „Textilwirtschaft“ angekündigt habe, das nächste Mal doppelt so groß sein zu wollen. Bedenke aber, dass auch die kleinen grünen Label wenig Geld haben und ganz genau überlegen müssen, auf welcher Messe sie sich zeigen. Da haben sie einfach die beste Bühne und besondere Mühe verdient!

3 | Gereon

Juli 10th, 2009 at 13:55

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Liebe Kirstin, tja… ein Verriss ist ein Verriss ist ein Verriss… und bleibt ewig ein Verriss.

Wenn ich die Premiere eines neuen Tanztheaterstückes von Sascha Waltz verpasse und in den Zeitungen ein paar Tage später schöne Verrisse zu lesen bekomme, weiß ich immer sofort, dass das wieder ein unglaublich sehenswertes und unwiederbringliches Ereignis gewesen sein muss und ärgere mich um so mehr nicht dabei- beziehungsweise dagewesen zu sein.

Meist sehe ich dann, wenn ich noch ein Ticket für später ergattere, ein völlig anderes Stück, als das was im Verriss beschrieben wurde. Premiere ist nur einmal, mit all seinen wunderbaren und oft sympathischen Fehlern. Das erwartet man von einer Premiere, alles andere wäre Langeweile und gerade diese Spannung und die anregende Kritik der Besucher direkt nach der Performance ist im exklusiven Ticketpreis inklusive.

So wird es leider auch allen Ausstellern und Besuchern von thekey.t(w)o ergehen, also der zweiten Edition im Januar 2010. (Für die Wortschöpfung “thekey.t(w)o“danke ich an dieser Stelle schon Melchior von SLOWMO, der sich konstruktiv und gestaltend von seinem Krankenlager aus zur Kritik von Dir bereits geäußert hat.)

Vom 21. bis 23. Januar wird dann ein Schlüsselerlebnis geboten werden, dass seine, der kurzen Vorbereitungszeit geschuldeten, Kinderkrankheiten wohl hinter sich gelassen hat. Dazu bedarf es auch weiterer Kritik und Hilfestellungen aller Key-Holder!
Der Public Day kam sehr gut an und soll beibehalten werden (das werden wir aber noch weiter mit allen Ausstellern besprechen), thekey.to wird dafür seinen ersten Tag der Bread&Butter und dem Fachpublikum schenken 😉 , also den Mittwoch. Und wir würden Donnerstag, Freitag und Samstag erst um 12 Uhr mittags öffnen, da wir abends ja auch länger arbeiten, chillen und networken…

Positiv finden wir, dass nahezu alle Aussteller, die sehr konstruktiv Positives aber auch Mängel mit uns angesprochen haben, bereits für die kommende Saison ihre erneute Teilnahme zugesagt und wir Ihnen im Gegenzug ein schöneres Zuhause versprochen haben, was einige, die mit den Räumen schon einzigartige Begebenheiten und Erinnerungen verbinden… dann doch schon ein wenig nostalgisch werden ließ.
Zudem sind auch jetzt schon viele Anfragen zur Teilnahme bei der 2. Edition eingegangen, weshalb wir uns in der Pflicht fühlen weiter durchzustarten.

„Flucht nach Vorne?“ erstaunt über die Ankündigung in der TW? …wir hatten es am zweiten Tag des Events bereits angekündigt, schon bei der Pressekonferenz, dass der Schlüssel auch stetigen Wandel symbolisiert, genau wie die Mode sich ständig neu erfinden will und wir keine 10-Jahres Verträge wie die Bread&Butter schließen wollen, und schon gar nicht eine Location wie die der Premium kaufen wollen. Unsere – auch örtliche – Unabhängigkeit hängt davon ab.

An dieser Stelle will ich auch noch kurz für alle diejenigen, die nicht wie Kirstin von Anfang an involviert waren, deutlich machen, dass wir erst vor nicht ganz drei Monaten gestartet sind. Mit anfänglich nur drei Personen, die dann auf 8 angewachsen sind, ein paar Tage vor der Eröffnung mit beinahe 20 unermüdlichen Mitstreitern, die freiwillig und vielfach zudem unentgeltlich, aus Glauben an die Wichtigkeit und Richtigkeit dieses Traumes und des Zeitpunktes seiner Realisierung, rumgewirbelt sind um das Unmögliche möglich zu machen. Dank hier an alle – Chapeau!

Zur Örtlichkeit noch einmal … da war doch noch vor der offiziellen thekey.to Gründung eine grüne Aktivistin, die wollte mit ihrer gewohnt spitzen Feder einen offenen Brief an den regierenden Bürgermeister schreiben und einen Hangar des Tempelhofer Flughafens für thekey.to fordern… 😉

Mehr, noch mehr Support von allen Seiten zu thekey.t(w)o wäre super! Diejenigen, die uns erstmal auf die Schultern klopfen, dann aber doch den eigentlich unbequemen Spagat des Kompromisses exerzieren und vorrangig Sicherheit und Profit suchen, anstatt sich klar zu positionieren und einer Idee dadurch die Kraft nehmen, auch finanziell, sich durchzusetzen, … Diese schwächen nicht nur ihre eigene Position, sondern auch die von allen so ersehnte Alternative. Das Potential dieser Key-Vision können wir nur gemeinsam, nicht gegeneinander, ausschöpfen.

Das ist hier lediglich meine private Meinung, was die anderen Key-Holder zu sagen haben, werden wir vielleicht bald hier lesen…

Gereon

Und hier noch der korrekte Link zu „Grün ist das neue Schwarz“ bei Utopia 😉

https://www.utopia.de/magazin/fashion-week-berlin-gruen-ist-das-neue-schwarz-eco-mode

4 | Kirsten

Juli 10th, 2009 at 14:51

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@Gereon: Schön, dass du dich meldest!

Natürlich fordere ich auch immer noch gerne mit euch zusammen einen Gratis-Hangar für die wahre Mode von morgen beim Berliner Bürgermeister! Offenbar findet das ja doch mehr Anhänger als gedacht. Möchtet ihr das denn?

Oder ist es nicht vielmehr so, dass ihr selbst ein „schöneres Zuhause“ schaffen wollt, wie du schreibst. Ist es nicht das, was ich – zugegeben – scharf gefordert habe?

Manches deiner Kritik ist mir zu verschlüsselt, wenn du das Wortspiel gestattest. Meinst du denn wirklich, ich sei jetzt auf „Sicherheit und Profit“ bedacht? Oder die Labels, die wagen auf „Premium“ oder „Bread and Butter“ zu stehen?

Nun an dieser Stelle forderst du schockierend viel Wagenburg-Mentalität – und zuviel unkritische Gefolgschaft.
Bin gespannt auf TheKey.t (w) o! Ich komme gerne wieder zur Premiere.

5 | Fred Grimm

Juli 10th, 2009 at 17:50

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Kinder, zerfleischt Euch nicht!

Super, dass es mit „The Key“ endlich einen festen und eigenständigen Ort für grünen Lifestyle gibt und ebenso klar, dass ganz viel beim nächsten Mal besser werden muss. (Was man vielleicht auch etwas weniger verbittert formulieren könnte…)

Eine Art „Green Area“ bei der Bread and Butter halte ich für keine besonders intelligente Lösung, vor allem, wenn man bislang mit der Präsenz auf der Premium nicht zufrieden war. Ich würde die grüne Mode à la The Key grundsätzlich für die Öffentlichkeit öffnen (soooo viele werden Euch schon nicht die Tür einrennen), auf jeden Fall einen Wahsinns-Catwalk mit jungen und schönen Öko-Aktivistenals Models organiseren, Eure Facebook-Seite als Forum für Ideen zu The Key 2 öffnen und ordentlich Lobbyarbeit machen, damit beim nächsten Mal Herr Wowereit persönlich die nächste Pants to Poverty-Kollektion präsentiert…

Also, haut Euch bitte nicht, sondern freut Euch lieber, dass man die grüne Mode im Berliner Sommer 2009 einen großen Schritt weitergekommen ist!

„Ich liebe Euch doch alle!“ (Erich Mielke)

6 | Kirsten

Juli 11th, 2009 at 09:42

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@Fred: Lieber Kollege, ich danke dir für das „Auf-den-Pott-setzen“. Keine Haue mehr. Freue mich auf deinen Artikel in „Schrot und Korn“. Knicks, Kirsten

7 | Mandy

Juli 11th, 2009 at 22:49

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Ganz ehrlich: Ich fand die Location super und sieht man von den absurden Toiletten und den quasi nicht beschilderten Weg vom U-Bahnhof Rathaus Neukölln zum alten Postamt ab, kein bisschen wie die beschriebene „schrabbelige Ökomesse“. Dafür allein sorgten schon die Aussteller. Exzellente, morderne und raffinierte grüne Mode. Die verwinkelten Räumlichkeiten hatten für mich eher etwas von einer Entdeckungsreise mit großem Aha-Effekt. Vorstellen kann ich mir allerdings, dass die Aussteller etwas anderes erwartet haben.
Kurz: Es war anders, unabhängig und keinesfalls so gelackt, wie die üblichen Messen.

8 | lohaslina

Juli 16th, 2009 at 01:23

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Ich war auch auf der thekey.to Ich kenne die ganze LOHAS-Szene erst seit kurzem und die Veranstalter sind mir persönlich auch nicht bekannt. Insofern ist meine Kritik nicht persönlich eingefärbt etc.
Ich habe an manchen Stellen die Professionalität der Veranstalter und der Veranstaltung vermisst. Ausserdem war ich ziemlich sauer, dass um 18.30h an einigen (nicht wenigen ) Ständen keine Aussteller anzutreffen waren.

9 | lohaslina

Juli 16th, 2009 at 01:48

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Nachtrag:
Der Greenshowroom im Adlon hatte Klasse. Für die Veranstalterinnen war es auch das erste Mal. Alles war so, wie vorab angekündigt. Eben professionell.
Und das ist ziemlich wichtig für´s Geschäft.