21 Jan, 2014
Von Fasern und glücklichen Hasen
„Demonstration von Fitness“ – so würde ich den grünen Teil der Berliner Modewoche beschreiben. Die starken Marken werden stärker und gerade im Luxus-Segment des Green Showroom gab es viel Spannendes zu sehen. Am besten gefallen haben mir die Modelle, die puristisch und minimalistisch sind, dabei aber nicht verbittert aussehen. Und diejenigen Designer und Designerinnen, die sich auch mit den Details ihrer Produktion auskennen – denn daran haperte es im Gespräch allzu oft.
Ist es zuviel, was ich erwarte? Auch die Namen der Pflanzen hören zu wollen, mit denen gefärbt wird? Oder inwieweit gewährleistet wird, dass die Frauen in tradtionellen indischen Handwerksbetrieben fair bezahlt werden? Reicht es „von glücklicher Hasen“ zu antworten auf die Frage, woher die Angora-Wolle kommt? Und ohne langes Nachdenken zu erzählen, den Kaninchen werde ein „Kräutergemisch“ vor der Schur verabreicht, damit sie ihre Haare verlieren? (Ich tippe auf eine Art Chemotherapie…)
Gelegentlich changierte ich zwischen Bewunderung für den Idealismus und Entsetzen über das mangelnde ökologische und tierethische Knowhow. Wer auf übellaunige Journalisten stößt, dem kann die ein oder andere esoterische Geschichte auch mal um die Ohren fliegen. Klar, momentan meinen es alle gut der Idee der Öko-Mode, aber das ist keine Garantie für die Zukunft. Irgendwann ist die Schonfrist vorbei.
Mir geht es dabei um etwas Generelles: die wachsende Branche und besonders der Nachwuchs braucht eine Datenbank, in der Wissen abrufbar ist, etwa welche Fasern eine gute ökologische Bilanz haben oder welche alternativen Produktionsprozesse inzwischen gut erprobt und marktreif sind.
Konstruktive Vorschläge gab es genug: 1. Ein Standard-Lehrbuch zu Geweben wie von Textil-Experte Thomas zu Capellen um Fragen der Ökologie zu erweitern, 2. die Info-Plattform GetChanged mit einer solchen Wissensdatenbank anzureichern oder 3. – auch sehr smart – Studierende des Esmod-Studienganges „Sustainability in Fashion“ zu bitten, zu diesen Themen Abschlussarbeiten zu schreiben. So wie zuvor etwa Marina Chaboune (Esmod-Absolventin, „Greening the blues“), deren Kenntnisse in Ozon- und Lasertechniken für Jeans die ganze Branche voran bringen. Ihre Jeans-Kollektion für Hess Natur ist übrigens demnächst im Handel.
Umgekehrt gab es im Green Showroom auch Designerinnen wie Anne Trautwein von Luxaa oder Silke Handley vom gleichnamigen Label, die zu allen Aspekten ihrer sehenswerten Kollektionen Bescheid wussten. So konnte die polyglotte Silke Handley nicht nur eine feminin und klassisch geschnittene Bambus-Kollektion vorführen (Blazer!), sondern auch das traditionelle Verfahren der Bambus-Gewinnung in Nepal erklären. Und Luxaa, junges Modelabel aus Halle Saale, deren Ästhetik der Reduktion und der Zweckmäßigkeit mich fasziniert, verteidigte absolut eloquent ihre Kunstfaser Tyvek (Polyethylen), die sie verstricken. Tyvek ist waschbar, reißfest, gut haltbar und reycelbar. Zwar werden diese Kleider wohl nie in einer gelben Tonne landen, sondern hoffentlich lebenslang als Klassiker im Kleiderschrank hängen, aber touché.
Anne Trautwein hat übrigens recht. Was Fasern angeht, bin ich überzeugt, dass wir wegkommen müssen vor der romantischen und – sentimentalen – Idee, alle Ökomode müsse „natürlich“ sein. Wenn Tyvek (ja, dahinter steckt der Chemiegigant Dupont) die Gebrauchsfähigkeit der Kleidung verlängert, ist das erstmal gut. IMMER GEGEBEN, DER PRODUKTIONSPROZSS IST SAUBER! Vielleicht an dieser Stelle nochmal die Trias, um die es gehen muss: Ressourceneinsatz minimieren, Haltbarkeit maximieren, Produktion sauber bekommen.
Wenn ich ehrlich bin, geht es mir natürlich noch um mehr. Nicht nur um Korrekturen an Produktionsprozessen, sondern um Korrekturen an Strukturen und ein Ende der gigantischen Ketten, die Kleidung zu Schleuderpreisen verramschen. In einer veränderten Gesellschaft, wie ich sie mir vorstelle, hätten eher die kleinen Label (und Läden) Platz, die die grüne Modeszene hervor gebracht hat und die sich in Berlin stolz präsentierten.
Diese Szene, die wir alle mit initiiert haben, führt diesen gesellschaftlichen Wandel aktiv mit herbei. Darauf können wir ziemlich stolz sein.
Wer es noch nicht weiß, mich treibt es zurück zu Greenpeace und zur Detox-Kampagne – diesmal mit Dienstsitz Hamburg und nicht Amsterdam. Deswegen weiß ich nicht, wie oft ich in diesem Jahr bloggen werde. An dieser Stelle ein extradicker Dank an das großartige Team, das diesen Blog inzwischen mit Beiträgen schmückt und an all diejenigen, für die wir schreiben und die uns lesen.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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