19 Jun, 2008
„Sie sehen gar nicht aus wie eine Banditin“
Madonna singt: „You´ve got only four minutes to save the world“. Ein bißchen mehr ist es schon. Erst nach 37 Minuten kommt die Polizei mit Minna und drei Beamten, um meine Aktion vor der Tchibo-Filiale in der Hamburger Innenstadt zu beenden.
Bis dahin hatten sich eine Menge Passanten nach meinem T-Shirt erkundigt – dazu hatte ich sie schließlich aufgefordert und eifrig erzählt, welche knochenharten Bedingungen in der Textilindustrie gang und gäbe sind. Tchibo sagt, ihre Kunden interessieren sich nicht dafür. Stimmt nicht. Die meisten würden schon ein paar Cent mehr bezahlen, wenn ihre Kleidung sauber und sozialverträglich hergestellt wäre. Und das geht.
Bereits morgens im Zeitungsladen sprachen mich die ersten an. Ist das ein Protest? Aber nicht bei uns, oder? Manche hielten mich auch für eine streikende Tchibo-Mitarbeiterin, die die skandalösen Geschäftspraktiken ihres Arbeitgebers anprangerte. Und mein Lieblingsspruch anläßlich des friedlichen Protests: „Sie sehen gar nicht aus wie eine Banditin!“
Bin ich auch nicht, nur eine Bloggerin, die Tchibo mahnt, nicht am anderen Ende der Welt in Bangladesch oder China so die Löhne zu drücken, nur damit wir hier billige Shirts kaufen können. Und jemand, der ein Buch schreibt über die Mode, die ohne Gift und mit mehr Gerechtigkeit hergestellt wird – Grüne Mode eben.
„Sie müssen zur Konzernspitze“, sagte eine Passantin. Geht nicht. Die haben heute Hauptversammlung. Und mir geht auch nicht um Ressentiment gegen große Konzerne, sondern um die Modernisierung einer Branche, deren Kunden längst weiter sind als sie selbst. Die wissen wollen, wo und wie produziert sind und die Geschichte hinter ihrem Produkt kennen wollen. Das wollte ich zeigen und die Hanseaten sind gar nicht so unnahbar, wie es immer heißt.
Weil ich alleine war, hält die Hamburger Polizei das jetzt nicht für eine unangekündigte Demonstration, sondern für eine freie Meinungsäußerung. Über das Versammlungsrecht bin ich belehrt worden. Die zwei Tchibo-Mitarbeiterinnen in der Filiale haben argumentiert, solche T-Shirts, wie ich eins trage, hätten sie gar nicht. Aber der Kaffeeröster hat es für mich bedruckt und mir für 14,90 plus Versand verkauft. Das hat die Polizei sehr amüsiert. Für mich Öko-Guerilla-Bloggerin ist die Sache beendet. Der Tchibo-Truppe für Unternehmensverantwortung kann mein Protest nur nützen. Ihre Arbeit wird von einer kritischen Öffentlichkeit begleitet. Erzählen Sie das ihrem neuen Chief Executive, Herr Lohrie.
Ich schreibe jetzt das nächste Kapitel meines Buches.
Bleibt anständig angezogen.
https://www.spiegel.de/fotostrecke/0,5538,32621,00.html
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Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
Veröffentlicht in: Tchibo