26 Sep, 2014

Fairness und Nachhaltigkeit im Einzelhandel

Immer häufiger sind grüne Modemarken auch in konventionellen Modehäusern und -boutiquen zu finden. Das ist schön, denn so erreicht die grüne Mode auch solche Kund_innen, die nicht gezielt danach suchen. Mit einer ernsthaften Umorientierung zu ethischerem Unternehmertum hat dieses Angebot allerdings oft genauso wenig zu tun, wie bei den Bio-Produkten im Discounter oder Markensupermarkt. Es geht vor allem darum, einfach allen relevanten Konsument_innentypen etwas zu bieten und ein bisschen vom positiven Image grüner Produkte zu profitieren.

Und so erzeugen die grünen Modelabels in nicht wenigen konventionellen Läden und Onlineshops ähnliche Widersprüche wie die, die wir bei Bio- und Fairtrade-Lebensmitteln auch schon in Bezug auf Discounter und Supermärkte diskutiert haben. Ist es sinnvoll ein fair hergestelltes Hemd bei einem Händler zu kaufen, der den Hauptumsatz weiterhin mit Kleidung macht, bei deren Herstellung Menschen und Umwelt ausgebeutet und vergiftet wurden? Ist es überhaupt noch ein fairer Einkauf, wenn das Einzelhandelsunternehmen sein eigenes Personal alles andere als fair behandelt?

Immer wenn ich in den letzten Jahren Verkäufer_innen aus konventionellen Textilläden kennen gelernt habe, habe ich versucht etwas über ihre Arbeitsbedingungen zu erfahren. Die Ergebnisse dieser Recherche bestätigen, was auch in Foren, aber bisher selten auf Mode-Blogs oder in Mode-Printmedien diskutiert wird. Tariflohn wird nur äußerst selten gezahlt. Meist wird auch der anvisierte Mindestlohn von 8,50 deutlich unterschritten. Löhne um die 7 euro sind selbst im finanziell nicht schlecht gestellten Münster keine Seltenheit.

Insbesondere in großen Modehäusern kommt dazu noch ein permanenter Druck möglichst viel zu verkaufen, egal ob Kund_innen einen Bedarf äussern oder nicht. Die Umsätze der Mitarbeiter_innen werden in Zeiten digitaler Kassen in der Regel seperat erfasst. Hohe Umsätze werden teils mit Provisionen belohnt. Es werden Rankings der Mitarbeiter_innen geführt. Den letztplatzierten blühen oft unangenehme Gespräche.
Für das Arbeitsklima ist diese Konstellation natürlich Gift. Es entsteht eine Konkurrenzsituation in der Verkäufer_innen nicht selten versuchen sich untereinander Kund_innen und Umsätze wegzuschnappen. Teils um das magere Einkommen aufzustocken, teils auch aus Sorge um den Arbeitsplatz. Verkäufer_innen sind oft nicht unbefristet angestellt.

Auch ökologisch ist die umsatzmaximierende Verkaufspolitik mehr als bedenklich. In Schulungen wird gelehrt, dass Kund_innen möglichst nie mit einem einzelnen Produkt, sondern immer mit einem ganzen neuen Outfit den Laden verlassen sollten. Übervolle Kleiderschränke und ungeplante Käufe nicht benötigter Kleidungsstücke werden auch durch diese verbreitete Praxis befördert.

Dass es auch anders geht und auch auf der Ebene des Einzelhandels nachhaltiges Unternehmertum einen Unterschied macht, beweisen grüne Conceptstores mit oft großem Engagement. Schon früh haben sich z.b. die Händler aus dem Korrekte Klamotten Netzwerk über Mitarbeitermindestlöhne, ökologische Energievorsorgung, ethisches Banking und nachhaltiger Ladeneinrichtung verständigt. Für grüne Ladenbetreiber_innen sind diese Themen meist selbstverständlich. Es ist am Ende eben auch eine Frage der Prioritäten, ob zu Gunsten ethischer Ziele höhere Kosten in Kauf genommen werden oder alles dem Maximalgewinn untergeordnet wird.

Wie gesagt: ich freue mich über faire und ökologische Produkte in konventionellen Läden. Egal ob Bio-Möhre, Fairtrade-Kaffee oder korrekte Jeans. Trotzdem kaufe ich alles 3 aber lieber in Läden, in denen organic und fair nicht nur das Sortiment erweitern, sondern als Werte im gesamten Unternehmen gelebt werden.

Allen, die sich fair einkleiden wollen, empfehle ich daher immer wieder einen Blick auf die Grüne Liste „Ethical Fashion Concept Stores“, die sich in den letzten Jahren stetig verlängert hat. Wer jedoch für seine Stadt noch immer nicht fündig wird, sollte ruhig mal in konventionellen Läden nach fairer und ökologischer Kleidung fragen. Zumindest einige größere Labels dringen inzwischen auch in kleinere Städte vor. Und wer sich traut kann sich ja auch mal nach Löhnen und Verkaufspolitik beim Händler erkundigen. Kritischer Konsum wird relevanter. Vielleicht ist das auch eine Chance für mehr Fairness und nachhaltigeres Unternehmensverhalten im Einzelhandel selbst.

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

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Veröffentlicht in: News

1 Kommentar auf "Fairness und Nachhaltigkeit im Einzelhandel"

1 | Reinhard Maas

September 29th, 2014 at 09:00

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Das Problem mit der fairen Bezahlung gibt es leider nicht nur
im konventionellen Handel. Vielen kleinen Bioläden fällt es
sehr schwer, den Mindeslohn zu zahlen. O-Ton im Gespräch mit einem Händler: „Wenn wir 8,50 € zahlen müssen,
können wir zumachen“. Hier ist das Problem nicht die Profitgier,
sondern der zu geringe Umsatz.