12 Jul, 2015

Läuft gut

BerlinBerlin II

Fangen wir doch mit dem Finale an. Die Modenschauen sind ja immer so etwas wie das Sahnehäubchen auf den Messen. Im Postbahnhof auf der „Ethical“ gab es diesmal neben der High-Fashion-Show mit 26 Designern und 73 Looks auch die erste Schau für Eco Streetwear zu sehen. 16 Designer zeigten 54 Looks für Frühling/Sommer 2016. Keine fantastische Show, aber ein Debüt in schroffer Fabrikhallen-Atmosphäre, das sich sehen lassen konnte.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Streetwear-Schau ist die bedeutendere Schau, die High-Fashion-Salonshow ist die coolere. Persönlich könnte ich damit leben, wenn nicht die gesamte Luxus-Mode und alle Gucci-Looks ökologisch und fair wären, mich interessiert deutlich mehr die gewaltige Menge an konventioneller Alltagsmode zu verdrängen, einfach weil dort die Massen produziert werden. Und hier zeigt sich Fortschritt: Es stellen immer mehr Label aus und die kleinen Label, die schon lange am Start sind, zeigen mehr tragbare und gut verkäufliche Entwürfe, die ein „alternatives H&M“ locker füllen könnten. Soll heißen, es gibt genügend Sachen, die einen Großteil der Bevölkerung erreichen können.

Natürlich zeigten sich nicht alle auf der „Ethical Fashion on stage“, aber zu sehen waren etwa Studio Jux, Mud Jeans, Hempage, Alma&Lovis oder Lana. Tragbar und verkäuflich, aber trotzdem nicht zu sehr nach Philosophie-Vorlesung aussehend, dass präsentierte beispielsweise Studio Jux“ mit einem Jumpsuit präsentierten oder Kleid und Trench mit Farbverlauf (siehe Bild oben) die so aussahen, als hätte man sie am unteren Ende in einen Farbbottich getaucht. Das sind sicher Hingucker, die Basic-Kollektionen prima ergänzen. Amüsiert habe ich mich, dass Ökomode für viele Labels offenbar heißt, gleich mal ein Ökosystem wie den Amazonas drauf zu drucken (oder zumindest einen Teil wie Palmen).

Ein „Öko-H&M“ der Zukunft hätte vermutlich auch eine Secondhand-Abteilung, einen Reparatur-Service und eine Upcycling-Möglichkeit. Vorstellen kann ich mir auch eine Art Bio-Company, wo auf einem weiteren Stockwerk Öko-Mode verkauft wird – einfachere Basics wie Schlafanzüge, Sportsachen oder Socken plus wechselnde Kollektionen mit hipperen Teilen wie etwa Kleidern von People Tree. Im Öko-Supermarkt gibt es ja auch Milch und Butter und daneben aufwändigeres wie eingelegte Oliven.

Das Angebot auf Eco Streetwear-Show lässt ahnen, dass das möglich ist und bald gemacht wird. Ein Indiz gefällig? Vielleicht belegt ausgerechnet der Einstieg von Kosmetik-Riese „Weleda“ als Partner der „Ethical“, dass inzwischen solche großen Player denken, mit Ökomode könne man OFFENSIV werben. Und gut ist auch, dass „Manufactum “ sehr viele Kollektionen eingekauft hat, um das Angebot an nützlichen Gartenscheren&Co. aufzupeppen.

Und die Salonshow? Luxus-Fashion  will nicht die Durchschnittsfrau anziehen. Sie wendet sich an eine modische Elite oder Frauen, die einen erwachsenen und weltläufigen Auftritt brauchen. Da kommt dann deutlich mehr Wagnis auf den Laufsteg. Gut gewählt war deshalb der Start mit „Johanna Riplinger“, dessen elfenhafter Entwurf mit Zitronen-Gelb sofort jede Müdigkeit im Publikum vertrieb. Gegen die Invasion der flachen Schuhe wehrt sich tapfer „Nine to Five“ mit High-Heels (Taschen und Gürteln) aus vegetabil gegerbtem Kalbs- und Lachsleder. Ein Höhepunkt auch grüne Couture von „Pure Green apparel“, die für edle Shirts und Kleider, Seide, Hanf und Biobaumwolle kombinierten. Mit meinem Faible für Klassisches gefällt mir zu sehen, wie Claudia Lanius Sommer 2016 interpretiert: Zum hellen Waffelpiqué-Rock gibt es ein hanseatisch blaues oder schwarzes transparenteres Oberteil, unter das ein passendes Bandeau getragen werden kann. Und wer im Sommer einen leichten Strickmantel sucht, wird ebenfalls hier fündig. Lanius ist treffsicher und Kundinnen folgen ihr. Oben im Bild sind von Lanius ihre Entwürfe in Orange und Leuchtendblau zu sehen.  Bei anderen Luxus-Teilen auf der Show fürchte ich, dass es schwer wird, dafür Boutiquen zu finden. Versuchen sollte man es trotzdem.

Was soll ich sagen? Die Shows waren großartige Unterhaltung und wurden zu Recht mit Traum-Besucherquoten belohnt. Well done.

 

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

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