03 Aug, 2015
Ethical Fashion Show und Green Showroom
Nach einer Saison Pause war ich wieder auf der Ethical Fashion Show und im Green Showroom unterwegs, die zum zweiten Mal im Postbahnhof am Ostbahnhof stattfanden. Für dieses Review hat sich der liebe Lars noch zwei weitere Labels aus dem Green Showroom angesehen, während ich mich auf die Ethical Fashion Show sowie auf Anna und Jula von Jan ‚n June konzentrierte.
Während unseres gemeinsamen Interviews vor einigen Wochen hatte ich Anna und Jula versprochen, während der Messe bei ihnen am Stand vorbeizukommen. Die beiden arbeiteten für Frühjahr/Sommer 2016 in ihrer „Supergirl“-Kollektion zum ersten Mal mit recyceltem Polyamid, welches in der Verarbeitung 1A ist und sich zudem auf der Haut extrem gut tragen lässt. Daraus lassen sich vor allem Oberteile mit offenen Kanten sehr gut schneiden – gar nicht mal so einfach mit den herkömmlichen Materialien. Neben dem recycelten Polyamid experimentieren Anna und Jula mit weiteren Stoffen und gönnen ihrem bisherigen modischen Repertoire noch weitere Farbvarianten. Absoluter Favorit der Einkäufer schien am zweiten Tag des Showrooms dafür ein weißes Kleid zu sein, was gleichzeitig auch als längere Bluse durchging.
Zwei weitere Labels waren nur jeweils einen Stand von Anna und Jula entfernt, denen ich ebenfalls einen Besuch abstatten wollte. Zunächst ging es zu meinen Freunden von Aluc, die auch für die nächste Saison wieder feinste Upcycling-Hemden im Angebot haben. Der Clou ist natürlich, neben der einwandfreien Verarbeitung und dem Gefühl, mit einem Hemd jetzt auch mal wirklich aus der Masse herausstechen zu können, der abnehmbare Kragen, so dass der Individualität eines an sich schon individuellen Produktes keine Grenzen gesetzt werden. Im Mittelpunkt standen diesmal aber gar nicht so sehr ihre Hemden, sondern ein ganz anderes Projekt des Berliner Labels: The Invincible Shirt. Mehr über das schwarze T-Shirt, hergestellt von Überlebenden der Rana Plaza Tragödie, auf der Webseite von Aluc sowie in Kürze auch bei GROSSARTIG.
Durch die Kleiderständer von Aluc erspähte ich dann bereits Andreas. Er war mit G&A – Organic Underwear zum ersten Mal auf der Ethical vertreten und holte sich das erste Feedback innerhalb der Branche für seine neue Unterwäschekollektion für Männer ab. Für den Start (Auslieferung ab Herbst 2015) plant er mit vier Modellen in insgesamt 14 Stilen und drei Farben. Die verwendete Baumwolle ist GOTS-zertifiziert und stammt aus Indien. Die gesamte Wertschöpfungskette hat Andreas durch seine langjährige Erfahrung in der Textilindustrie im Auge. Besonders auffällig ist übrigens der breitere Bund (4 statt 3 Zentimetern), den Andreas seinen Buxen verpasst hat. Ob das nun “Calvin Klein in grün” ist (O-Ton eines Messebesuchers), ist mir relativ egal – Andreas hat mich mit seiner Kollektion und seiner akribischen Herangehensweise mehr als überzeugt und ich freue mich bereits sehr auf den Herbst diesen Jahres und eine tolle weiße Boxer Brief von G&A – Organic Underwear.
Waren mir Philipp und Caroline von Phil & Lui schon virtuell kreuz sympathisch, hielt die Realität dieses Versprechen mit links. Die beiden teilten sich mit anderen Labels eine Fläche und hatten letztlich nur eine Kleiderstange Platz für ihre neuen Teile für Spring/Summer 2016 – aber diese hatten es in sich. Gerade im Vergleich zu den anderen Marken im Umkreis von 2 Metern zauberten die beiden eine sehr schöne und ihrem Stil entsprechende Verkaufsfläche dahin, dass sich einige Marken davon mehr als nur eine Scheibe abschneiden sollten. Im Gespräch waren die beiden nicht nur sympathisch und voller Tatendrang, sondern auch wissbegierig, wenn es um den gemeinsamen Austausch über Grüne Mode ging.
Für die neue Saison präsentierten sie eine große Bandbreite an verschiedenen Unisex-Shirts, -Longsleeves und -Sweatern sowie auch eine kurze Shorts für Frauen, die mit aufwendigen Stickereien versehen war. Für die verschiedensten Teile ihrer Kollektion fanden Philipp und Caroline immer seltener verwendete Nähmaschinen und schaffen so mit vielen kleinen aber feinen Details, aus der Masse der Grünen Mode herauszustechen. Einfach mal so ein Shirt zu produzieren, käme den beiden nicht in die Tüte – und diesen Drang nach Details und dem richtigen Dreh spürt man, wenn man den beiden beim Verkaufen zu sieht und mit den beiden spricht. Meine Empfehlung: Checkt Phil & Lui in den nächsten Wochen und Monaten – ihr werdet es nicht bereuen.
Und wenn ich schon einmal im Lobpreisen bin, dann können wir gleich noch über Lovjoi sprechen. Lovjoi ist gerade einmal etwas älter als ein Jahr und wurde von Verena Paul gegründet. Freddy und Eliane komplettieren das 3er Gespann, das laut Textilwirtschaft unter den Top 10 der “Labels to watch in Berlin” ist und von der INNATEX zu den “DesignDiscoveries” zählt. Dem kann ich nur zustimmen. Lovjoi ist bio, fair und tatsächlich Made in Germany. In Berlin zeigten die 3 sowohl Teile aus ihrer Herbst/Winter 2015/2016 Kollektion als auch die neuen Stücke für SS 2016. Darunter unter anderem Steve, ein toller Pullover in schneeweiß mit Wabenstruktur, der einfach unglaublich gut aussieht und toll verarbeitet ist. Das Äquivalent für die Damen ist nicht minder begeisterungswürdig. Lovjoi bietet aber auch Kleider, einen Rock und Shirts für Männer (die aber an sich auch Unisex getragen werden können), gerne im asymmetrischen Schnitt. Lovjoi ist frisch und unbekümmert, mit den richtigen Gedanken zu ihrer eigenen Produktion und dem Designerherz am rechten Fleck.
Bevor ich allerdings all diese Eindrücke sammeln konnte, zog es mich gemeinsam mit Raphael noch zu Studio Jux aus Amsterdam. Das Label habe ich bereits seit Jahren auf dem Schirm und finde die Kollektionen Saison für Saison bzw. Jahr für Jahr immer wieder gelungen. Überraschenderweise kann ich immer noch nicht ein Jux mein Eigen nennen, was sich aber in der nächsten Saison sehr sicher ändern wird. “Schuld” daran sind vor allem zwei neue Kreationen für Männer, die einfach klasse sind. Es gibt zum einen ein schmal geschnittenes Sakko (wenn gewünscht auch mit Hose als Anzug) in einem intensiven, dunklen Blauton, welches durch Feinheiten der nepalesischen Verarbeitungskunst besticht. Zum anderen hat Studio Jux nicht nur neues Jersey und Mixed Twill mit in die Saison genommen, sondern auch sommerlichen Strick, der einen auch bei wärmeren Temperaturen nicht im Stich lassen wird. Sehr tragbare und stilsichere Menswear der Marke Studio Jux, die trotz aller Widrigkeiten durch das Erdbeben in Nepal weiterhin vor Ort produziert wird.
Meine allererste Begegnung auf der Ethical habe ich mir für das Ende des Reviews aufgehoben. Direkt um kurz vor 11 Uhr lief ich Michael von bleed in die Arme. Wir unterhielten uns nicht nur über die wunderbare Innatex Lounge im Fluxbau vom Vorabend, die ich wieder zum Netzwerken genutzt habe, sondern auch über das erfolgreiche Crowdfunding der Montado Black Edition. Michael und sein Team hatten auch die Damen-Korkjacke mit am Stand und freuten sich immer noch über die außerordentlich positive Resonanz auf ihr Crowdfunding und die Idee, aus Kork eine Alternative zur Lederjacke zu kreieren. Natürlich hatten sie auch frische Stiles für die nächste Sommersaison dabei. Der Weg von bleed geht in eine gute Richtung namens Streetwear und ich bin gespannt, wie lange sie die Ethical weiterhin als Messe nutzen werden. Der SEEK würde bleed ebenfalls gut zu Gesicht stehen, wenn sie die eingeschlagene Richtung beibehalten werden.
Danke Alf, ich (Lars) übernehme. In eine andere Richtung, aber auch sehr erforlgreich entwickelt sich das Kölner Label Lanius, dass sich diesmal in der Aussenhalle präsentierte. Neben luftigem Strukturstrick haben es mir (Lars) vor allem die neuen Tencel- und Modalqualitäten angetan. Lockere Blusenshirts, Kleider und Röcke mit edlem seidigem Glanz in sommerlich frischen Farben. Natürlich gibt es auch wieder schöne Musterkleider, aber insgesamt wirkt die Kollektion cleaner und das gefällt mir sehr gut. Zusammen mit den neuen Stoffen und der gewohnt hervorragende Verarbeitung wird Lanius damit sicher noch stärker auch ein jüngeres Publikum für sich gewinnen können.
Auch bei PeopleTree gab es frische Sommerfarben und mehr einfarbige Styles als viele das vielleicht von den Briten gewohnt sind. Linda Mohrmann, die mit ihrer agentur für fair fashion PeopleTree in Norddeutschland vertreibt, konnte mir zudem berichten, dass nun auch Handwebstoffe in Bio-Qualität umgesetzt werden konnten. Das ist eine super Neuigkeit. Die handgewebten Stoffe sind seit Jahren fester Bestandteil der Kollektionen und kommen oft für die stärksten Blusen und Kleider zu Einsatz.
Die Pioniere moderner fairer und grüner Mode entwickeln sich allesamt sehr gut und mit Lovjoi und Jan ‚n June gibt es endlich mal wieder 2 vielversprechende Neulinge. Dank der Innatex-X-Lounge – diesmal mit Spreeblick im FluxBau! – habe ich zudem wieder viele großartige Menschen aus der grünen Modebranche kennen gelernt und wiedergetroffen, was sonst beim 3-Tägigen Messehopping nicht möglich wäre. So haben auch Alf und ich uns wenigstens noch ein bisschen austauschen können. An dieser Stelle nochmal ein großes DANKESCHÖN an Alf für die tolle Berichterstattung hier und auf seinem eigenen Blog www.grossvrtig.de. Bis bald Berlin.
Alf-Tobias Zahn führt mit seiner Initiative Designmob Kinder und Jugendliche spielerisch an das Thema "öko-faire Mode" heran und schreibt als freier Modejournalist über "Grüne Mode" für Groß und Klein, unter anderem für das Berliner Blogazine Kalinka.Kalinka und seinen eigenen Blog www.grossvrtig.de. Hier finden Sie alle Artikel von Alf-Tobias Zahn . |
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