28 Jul, 2008
Ja, sie kann es!
Yes, I can. Der Wahlkampf-Slogan von Barack Obama gilt auch für Christine Herntier. Die Chefin der Färberei „Spremberger Tuche“ passt sich neuen Erfordernissen an. Sie weiß: Wer auf dem Modemarkt überleben will, muss sich was einfallen lassen. Und so ist ihre Firma inzwischen die erste und einzige Färberei in Deutschland, die im großen Stil Kleiderstoffe mit Pflanzen färbt – also mit Natur pur. 
Wer im kleinen Ort Spremberg ankommt – großspurig Perle der Lausitz genannt – ist leicht versucht, alles als gestrig abzutun, was von hier kommt. Der Ort wirkt schlicht ein wenig spinnwebig. Allerdings hat Christine Herntier ihrer Färberei in der Tuchmacherallee einen erheblichen Frische-Kick verpasst. Seit Jahren experimentieren sie mit alten Färbepflanzen wie Krapp und Resede, die Bauern auf den Äckern nebenan angebauen. Während der goldgelbe Farbstoff der Resede aus den oberen Pflanzenteile wie Blättern, Blüten und Stängel stammt, stammt das rotbraune Pigment des Krapp aus der Wurzel. Aus den zwei Farben rot und gelb entwickelten die Spremberger inzwischen mehr als 90 Töne von Rosé bis Anthrazit, von Créme bis Khaki. Jeder neue Farbton braucht ein Vierteljahr Entwicklung, bis die Rezeptur fertig ist. Demnächst wird es auch Blau geben, gewonnen aus dem Strauch Blauholz. Natürlich sind die Farben wasch- und lichtecht.
Gefärbt wurde zunächst nur Wolle, jetzt auch Baumwolle, Leinen, Hanf und sogar Seide. Unter dem Namen Lebens-Stoffe ist die erste komplett ökologische Stoffkollektion zu haben. Die ersten Abnehmer sind schon gefunden. Hess Natur arbeitet mit den neuen Stoffen, aber auch junge Designer wie Inka Koffke aus Ingolstadt. Auf der Fashion Week in Berlin war jüngst eine kleine Kollektion von Modedesign-Studenten der dortigen Hochschule für Mediadesign zu sehen („Wildfang“), die sich mit den Färbe-Profis zusammen getan hatten. Da die Spremberger nicht nur Stoffe, sondern auch Garne färben, lassen sich daraus inzwischen über 50 Dessins vom Glencheck bis zum geblümten Jersey weben.
Okay, die Farben führen nicht zu schwerwiegenden Irritationen der Netzhaut wie manche Knallfarben der Saison. Und wenn die Farben in Wolle hauchdünn verwoben wie bei dem Kleid oben, geht der feine Rostton aus dem Krapp und das grün-gelb aus der Resede fast ein bißchen unter. Alles sieht dann ein bißchen britisch-streng aus, soll ja aber nicht in der Sommerhitze im Beach-Club getragen werden. Und wie wir wissen bringt Mode zwar Farbe ins Leben – manchmal aber auch zuviel davon.
Ihre Stoffe bieten die Spremberger bereits ab einem Meter zum Verkauf an. Das pflanzengefärbte Programm Lebens-Stoffe ist demnächst im Online-Shop erhältlich unter www.lebens-stoffe.de. Der Meter kostet zwischen 12 und 50 Euro.
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Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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