30 Apr, 2014

Copenhagen Fashion Summit #insideout

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Stärkster Auftritt des Tages: Vanessa Friedman (New York Times)

Ein Goodie-Bag sagt mehr als 1000 Worte. Zumindest auf dem Copenhagen Fashion Summit letzte Woche. Die dritte Ausgabe der vielleicht größten Nachhaligkeitskonferenz der konventionellen Modeindustrie fand am 24.4., dem Jahrestag des Fabrikeinsturzes am Rana Plaza (Bangladesh) statt. Doch erst nochmal zurück zum Goodie-Bag, den die Sponsoren der Konferenz zusammengestellt hatten: Drin war konventionelle Kosmetik von Blue Lagoon (mit Algen) und Tromborg (mit Bio-Ölen), ein konventionelles Anti-Pillingwaschmittel von Novozymes (das Wollstrick länger gut und tragbar aussehen lässt) und ein Kissenbezug aus Bio-Baumwolle von H&M. Auf dem Kissen steht „Sustainable and Stylish“, aber zumindest Letzteres stimmt mal wirklich überhaupt nicht.

Das Ganze in einem Beutel aus HM_conscious-stylekonventionellem Jeans-Stoff von Jack&Jones, die darauf mit „Low Impact Denim“ werben. Die Rückseite fasst den Inhalt gut zusammen: „HEY! I’M TRYING TO BE NICE“. Ja, die großen Player versuchen NICE (Nordic Initiative, Clean and Ethical) zu werden, oder doch nur NICE zu wirken?

Die Sponsoren stellten auch einen guten Teil der Referent_innen und waren sich in vielem einig. Zum Beispiel darin, dass ihre jeweiligen Unternehmen schon ganz Großartiges leisten und sie eigentlich schon immer sehr um Nachhaltigkeit bemüht waren, jedoch früher einfach nicht darüber kommunizieren mussten. Kering (früher PPR, Mutterkonzern von GUCCI, PUMA, Saint Laurent) will zum nachhaltigsten Luxusgüterkonzern werden und ab 2016 nur noch Gold, Diamanten, (Schlangen)-Leder und Wolle aus nachhaltigen Quellen nutzen, erklärte Nachhaltigkeitschefin Marie-Claire Daveu. Marco Bizzarri unterstrich dies anschließend noch einmal für die Taschenlinie Bottega Veneta, ebenfalls eine Kering-Tochter.

 

Nachhaltige Gaderobe

Ein erstes Highlight war Livia Firth vom Beratungsunternehmen Eco Age. Sie begann ihren Vortrag damit, ihren Blazer insideout zu drehen. Schließlich war ja Fashion Revolution Day, im Gedenken an die Opfer des Fabrikeinsturzes. Als Symbol für die Menschen hinter unserer Kleidung sollte jeder ein Kleidungsstück auf links tragen, sodass die Herkunft auf den Etiketten sichtbar wird.
Inhaltlich griff Green-Carpet-Initiatorin Firth das Fast-Fashion-Prinzip an. Eco-Age berät vornehmenlich Luxusanbieter. Wenngleich die Qualität der Produkte das sicherlich erlauben würde, wage ich trotzdem zu bezweifeln, dass eine Handtasche von GUCCI öfter getragen wird als eine von ZARA oder H&M. Zumindest auf offiziellen Anlässen verhindert das schon die Etikette der Luxusgesellschaft. Und Rainforest-Alliance-zertifiziertes Leder (wie in der Eco Age Linie für GUCCI) macht auch noch keine nachhaltige Handtasche.

Den stärksten Auftritt hatte Vanessa Friedman, ehemals Modechefredakteurin der Financial Times und jüngst zur New York Times gewechselt:

„Designers are expected to do six to eight collections a year; high-street retailers bring new collections in every week. The system is based on planned obsolescence, and guess what? It is unsustainable. It is a runaway train and we all know that eventually they crash. The question is, what to do now? The answer lies not in sustainable fashion, which as a phrase makes no sense, but by building a sustainable wardrobe. That works and has value for the person who has built it – I bring the same four dresses, two jackets and two pants with me everywhere. When I talk to designers now, what we discuss is creating special things.“

Der Begriff „Sustainable Wardrobe“ gefällt mir sehr. „Nachhaltige Gaderobe“ klingt hingegen leider etwas antiquiert und beim „Nachhaltigen Kleiderschrank“ werden die meisten wohl erstmal an die Nachhaltigkeit des Möbelstückes denken. Aber eine neue Begrifflichkeit, die das „Weniger und Besser“ als integralen Bestandteil nachhaltigen Kleidungskonsums deutlich macht, ist ein guter Ansatz.

Als nächstes gehörte Helena Helmersson die Bühne, Head of Sustainability bei H&M. Zweifellos ist H&M inzwischen engagierter als viele andere konventionelle Textilkonzerne. Das eigene Recyclingprogramm als einen geschlossenen Kreislauf zu präsentieren fand ich dann jedoch etwas sehr überzogen. Auch faire Löhne in der kompletten Lieferkette kündigte Helmersson an, blieb jedoch eine Konkretisierung schuldig, was denn „fair“ für H&M bedeute.

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H&M Recycling-Initiative: Closed-Loop oder doch eher ein kurzes zweites Leben als Putzlappen?

 

Die industrieeigene Ampelkennzeichnung kommt

Dann endlich einer der Hauptgründe meiner Reise. Jason Kibbey von der Sustainable Apparel Coaltion (SAC, Industrieinitiative vieler der wichtigsten globalen Textilkonzerne) präsentierte den aktuellen Stand des HIGG Index. Wie wir bereits Ende 2012 dargelegt haben, arbeitet die SAC daran, eine markenübergreifende Ampel-Kennzeichnung herauszubringen, die die Nachhaltigkeit der Produkte der Mitgliedsunternehmen nach gemeinsamen Standards einordnet. Bisher wird der HIGG Index nur intern verwendet. Nun wird die Arbeit an der direkten Kommunikation mit dem Verbraucher fokussiert. Ein Starttermin wurde jedoch nicht genannt. Dafür betonte Kibbey, dass diese freiwillige Initiative natürlich viel besser und innovationsfreundlicher sei als verbindliche unabhängige Zertifizierungen oder gar staatliche Regulierungen.
Brands, Händler, Zeichengeber und andere Akteure der grünen Modebranche sollten sich Gedanken machen, wie sie auf ein solches System reagieren wollen. Auf Grund der enormen Marktbedeutung der SAC-Mitglieder könnte die HIGG-Ampel schnell bekannter als GOTS oder die Fair Wear Foundation werden und zugleich wegen der Verbreitung eine hohe Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit ausstrahlen.

Als letzter Referent stellte Alan Roberts als Executive Director den Bangladesh Accord on Fire and Bulding Safety vor. Es war sicherlich der ernsteste Beitrag der Konferenz. Roberts konnte allerdings durchaus Hoffnung verbreiten, dass sich zumindest im Bereich der Arbeitssicherheit nun endlich etwas tut in Bangladesh. Angesichts der fortwährenden Untätigkeit nicht weniger auf der Konferenz vertretener Konzerne hatte ich bei der gemeinsamen Schweigeminute jedoch auch ein Gefühl von Verlogenheit.

Im Abschlusspanel gab es dann noch einen unerwartet heftigen Angriff von Livia Firth (Eco Age) an die Adresse von Helena Helmersson (H&M), bei dem Firth erneut die soziale und ökologische Nachhaltigkeitsunfähigkeit des Fast-Fashion-Konzerns kritisierte. Wiederholt forderte sie Helmersson auf, den Mindestlohn zu nennen, den H&M in Bangladesh zahle und betonte, das präsentierte Engagement sei schlicht unzureichend. Mit einem Verweis, genaue Daten später nachzureichen beendete Helmersson die Szene, konnte jedoch den Eindruck nicht mehr abwenden, dass H&M hier eben doch nicht so glänzt, wie sie es gerne präsentiert.

 

Hashtag, Hashtag, Hashtag

Aus Deutschland nahmen gleich eine ganze Reiher Vertreter_innen der grünen Modebranche an dem Kongress Teil. Beim Abendessen in kleinerer Runde konnten wir uns alle des Eindrucks nicht verwehren, vorrangig eine Werbeveranstaltung besucht zu haben. Dennoch ist es interessant zu wissen, wo die konventionelle Industrie steht, welche Konzepte sie aufgreift und wie sie den öffentlichen Druck für einen Wandel einschätzt. Am Ende war der Austausch unter uns Vertreter_innen der grünen Modebranche für mich mindestens ebenso so spannend wie die Beiträge des Kongresses. Und wer mal sehen möchte, was Multitasking in Zeiten von Social Media bedeutet schaue auf die Facebook-Seite zur Fashion-Revolution-Day-Aktion. Hashtag #insideout

Respekt an die Fashion-Revoluzer_innen Max Gilgenmann (Ethical Fashion Show, Messe Frankfurt), Carina Bischof (Upcycling Store Berlin), Olga Nowikow (Lebenskleidung), Marina Chaboune (Beyond Fashion) und Magdalena Schaffrin (Green Showroom), die von Kopenhagen aus den Aktionen in Deutschland unermüdlich zu digitaler Verbreitung verholfen haben.

Das Goodie-Bag enthielt übrigens auch noch was Spannendes. Die aktuelle Ausgabe des „Ever Manifesto„-Magazins, in dem unter anderem auch Bruno Pieters (Honest By) und Graham Hill (Treehugger, Life Edited) zu Wort kommen. Lesenswert!

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

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