20 Jun, 2012
Mehr nachhaltige(re) Baumwolle bei den Großen?
Große Modekonzerne wie Puma, h&m, C&A, Otto aber auch IKEA übertreffen sich derzeit mit Quotenzielen zur Verwendung „nachhaltiger Baumwolle“. 100 Prozent „nachhaltige Baumwolle“ versprechen IKEA bis 2015, adidas bis 2018 und Otto, C&A und h&m bis 2020. Puma bietet nur 50 Prozent nachhaltige Materialien bis 2015, meint damit dafür aber das Gesamtsortiment und nicht nur die Baumwollprodukte. Steht Bio-Baumwolle also nach zuletzt deutlich rückläufigen Produktionsmengen kurz vor einem verstärkten Durchbruch in den Massenmarkt?
Leider wohl eher nicht, denn mit „nachhaltiger Baumwolle“ meinen die Textilriesen vornehmlich nicht Bio-Baumwolle, sondern Baumwolle aus den Vertragsanbausystemen Cotton made in Africa (CmiA) und Better Cotton Initiative (BCI). Deren Standards sind jedoch weit von ökologischer Landwirtschaft entfernt und die Sozialstandards beschränken sich weitgehend auf ein Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit. Baumwollabnahmepreisen über Weltmarktniveau (wie im Fair Trade Konzept) wird bei CmiA eine explizite Absage erteilt:
„Cotton made in Africa handelt nach den Regeln des Marktes und verzichtet auf Subventionen und Eingriffe in die Systematik der Weltmarktpreise, die sich, wie bei nahezu jedem Rohstoff, nach Angebot und Nachfrage richten.“
Bloß keine Eingriffe in den Weltmarkt. Da steckt also auch eine gute Portion Neoliberalismus in der Initiative, die Michael Otto von der Otto Group 2005 gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gegründet hat.
Die ökologischen Ansätze von CmiA und Better Cotton sind weitgehend identisch. Der Einsatz von Pestiziden soll durch Schulungen reduziert und auf solche Mittel beschränkt werden, die nicht in internationalen Abkommen verboten sind. Legal heißt nur eben leider noch lange nicht nachhaltig oder ungefährlich, wie unzählige Fälle von schweren Vergiftungen Jahr für Jahr beweisen.
Gentechnisch verändertes Saatgut ist bei Better Cotton explizit erlaubt. Bei CmiA gilt noch bis Sommer 2012 ein Verbot gentechnisch veränderten Saatguts. Begründet wird dieses Verbot mit keiner Silbe. Auf der Website werden dafür an gleicher Stelle die große Bedeutung gentechnisch veränderter Baumwolle auf dem Weltmarkt beschrieben und erste Anbauprojekte in Afrika angeführt.
Um es klar zu sagen. Tendenziell sind natürlich auch kleine Verbesserungen besser als keine Verbesserungen. Und alleine die Schulungen zum bewußteren Umgang mit Pestiziden sind zweifellos ein sinnvoller Schritt. Allerdings werden auch diese kleinen Fortschritte durch einen massiven Greenwashing-Effekt kontakariert. Denn hier wird – wiedereinmal – für nachhaltig erklärt, was eigentlich ganz offensichtlich nicht nachhaltig ist: erdölbasierte Pestizide und erdgasbasierte Düngemittel sind bei beiden Anbausystemen selbstverständlich erlaubt.
Und es steht zu befürchten, dass die als „nachhaltige Baumwolle“ beworbene Baumwolle von den allermeisten Konsumenten zumindest schnell als nachhaltig genug erachtet wird. Wenn der Unterschied zu „bio“ nicht gar für die meisten komplett verschwimmt.
Einige BCI und CmiA Mitglieder gehören derzeit zu den größten Abnehmern von Bio-Baumwolle (h&m, C&A, Wal Mart), auch wenn diese an ihren jeweiligen Gesamtsortimenten nur einen sehr geringen Anteil hat. Wenn jetzt Bio-Baumwolle, BCI und CmiA zusammengefasst als „nachhaltige Baumwolle“ beworben werden, wie groß ist dann noch der Anreiz den Anteil von Bio-Baumwolle zu erhöhen oder auch nur zu halten? Der biologische Baumwollanbau dürfte somit wohl noch weiter zurückgedrängt werden.
Dass hinter beiden Initiativen vor allem auch wirtschaftliche Interessen stehen, ist offensichtlich und wird auch nicht zu verbergen versucht. Dabei könnte es allerdings noch um deutlich mehr als um ein grüneres Image zum Schnäppchenpreis gehen. Die globale Nachfrage nach konventioneller Baumwolle steigt durch die Wachstumsmärkte Asiens enorm. CmiA und BCI können daher auch als Versuch der Textilriesen gesehen werden, sich den sicheren Zugriff auf qualitativ akzeptable Baumwolle zu kalkulierbaren Preisen zu sichern. Gut gemanagter Anbau sichert gegen größere Ertragsschwankungen ab und Verträge von BCI und CmiA mit den Baumwollproduzenten sichern den Zugriff auf diesen Ertrag.
Die eigentliche Problematik ist ja, dass die große Nachfrage nach Textilfasern allein mit Baumwolle generell nicht nachhaltig befriedigt werden kann. Auch beim Bio-Anbau mit gutem Wassermanagement ist der Flächenbedarf zu groß, um diese Fasermengen nur aus Baumwolle zu erzeugen. Die Antwort darauf sollte jedoch nicht eine weitere Umdefinierung des Nachhaltigkeitsbegriffs, sondern die Entwicklung alternativer Fasern, Faserecycling, sowie zuforderst auch die Entschleunigung von Konsumzyklen sein.
Es gilt also die Textilriesen mit diesem plumpen Versuch sich als grüne Vorreiter zu präsentieren nicht durchkommen zu lassen und ihr Engagement bei der Entwicklung echter Alternativen einzufordern. Und auch den Mitwirkenden auf Seiten der staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen sollten Verbraucher und die progressiven Kräfte der grünen Modebewegung auf die Finger klopfen. Daran, dass der WWF bei jeder grünwaschverdächtigen Initiative mit am Runden Tisch sitzt, haben wir uns ja schon gewöhnt. Aber bei CmiA mischen auch staatliche Institutionen, die Welthungerhilfe und der NABU mit.
Vermutlich fehlt es in den Organisationen häufig schlicht an Expertise, um die Tragweite von Konzepten wie CmiA und Better Cotton sowie vor allem auch der Unterstützung dieser Konzepte durch zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure richtig einzuschätzen. Grüne Modeaktivisten, Label-Macher und Ladenbetreiber sind gefragt, um diese Wissenslücken durch Vernetzung und Austausch zu füllen. Eine gute Gelegenheit bietet der Workshop „Change your Cotton“ auf der Ethical Fashion Show (Anmeldung und Beschreibung weiter unten auf der Seite), an dem auch Vertreter von CmiA und Puma teilnehmen.
Von den Mitgliedern der Better Cotton Initiative und CmiA ist zu fordern, dass sie ihre Konzepte maximal als „nachhaltigere„, auf keinen Fall jedoch als wirklich „nachhaltige Baumwolle“ vermarkten. Und auch darüber hinaus ist eine ehrliche und transparente Kommunikation unabdingbar, findet auch Baumwollexpertin Alexandra Perschau von Future for Cotton.
Perschau benennt 3 zentrale Vorraussetzungen, unter unter denen CmiA und Better Cotton tatsächlich einen positiven Beitrag zu einer nachhaltigeren Faserproduktion leisten könnten:
1. Wir brauchen jährliche Fortschrittsberichte, um zu sehen, ob die anvisierte Komplettumstellung auch wirklich umgesetzt wird.
2. Es muss deutlich gemacht werden, welche Anteile die unterschiedlichen Konzepte am Gesamtvolumen haben.
3. Es braucht Ausbauziele auch für Bio- und Bio-Fairtrade-Baumwolle, damit diese höheren Standards nicht zugunsten von Better Cotton und CmiA zurückgedrängt werden.
Mal sehen was die Herren von Puma und CmiA in Berlin dazu sagen.
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
Veröffentlicht in: News